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Geld auf Bedingung: Brüssels neuer Haushaltsvorschlag trifft Ungarn - Europa

Brüssel/Budapest. Die Europäische Kommission hat im seit Jahren schwelenden Streit mit Ungarn über die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien eine neue Eskalationsstufe gezündet: Künftig sollen Zahlungen aus dem EU-Haushalt an die Einhaltung demokratischer Grundwerte gekoppelt werden. Dies geht aus dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen hervor, der diese Woche vorgestellt wurde.

EU-Haushalt wird an Rechtsstaatlichkeit gebunden

Im Zentrum des Vorschlags stehen die sogenannten Nationalen Regionalpartnerschaftspläne (NRPs), die künftig Mittel für Agrar- und Kohäsionspolitik bündeln sollen. Nach den Worten von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei darin eine „intelligente Konditionalität“ verankert: Wer gegen EU-Werte verstößt, soll weder Projektgelder noch Fördermittel erhalten.

„In den NRPs machen wir Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zur Voraussetzung für Investitionen und zum Fokus von Reformen“, erklärte von der Leyen am Mittwoch. Künftig würden EU-Mittel „verantwortungsvoll ausgegeben – mit starken Sicherungen, klaren Bedingungen und geeigneten Anreizen“.

Die Brüsseler Initiative stellt eine systematische Erweiterung des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus dar, der bereits seit 2020 theoretisch die Möglichkeit bietet, EU-Gelder bei systemischen Verstößen gegen Grundwerte auszusetzen. Bislang wurde das Instrument allerdings nur gegenüber Ungarn aktiviert – ein Umstand, den man in Budapest als gezielte Kampagne gegen die Regierung Orbán interpretiert: Wie immer ist man das Opfer.

Milliarden weiter eingefroren

Ungarn ist seit Jahren im Visier der Kommission: Wegen systemischer Korruption, Angriffen auf die Unabhängigkeit der Justiz und einer gezielten Aushöhlung pluralistischer Medienstrukturen sind derzeit 18 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Budapest eingefroren. Direkt abrufbar sind lediglich rund 10 Milliarden – eine empfindliche Lücke im windigen ungarischen Haushalt, der stark von EU Transfers abhängt.

Ungarns Haushaltsentwurf 2026: Soziale Unterstützung oder politische Strategie?

Würde der neue Haushaltsrahmen verabschiedet, könnten weitere Kürzungen folgen – bis hin zu einem vollständigen Mittelstopp. Entscheidungsgrundlage wären künftig auch die jährlichen Rechtsstaatlichkeitsberichte der Kommission, in denen unter anderem Unabhängigkeit der Justiz, Korruptionsbekämpfung und Medienfreiheit bewertet werden.

Zustimmung aus dem Europaparlament mit Vorbehalten

Der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Freund, einer der lautstärksten Kritiker Orbáns im Europaparlament, begrüßte den Vorstoß vorsichtig:
„Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, so Freund. Doch er mahnt: „Das Parlament und alle Mitgliedstaaten müssen zustimmen – auch Ungarn. Der Kampf ist noch lange nicht vorbei.“

Besonders kritisch sieht Freund die vorgesehene Umstellung auf ein leistungsbasiertes Finanzierungsmodell, das an die COVID-Wiederaufbaufonds erinnert. Dort, so Freund, sei die Kontrolle der Mittelverwendung „deutlich schwächer“ gewesen – mit entsprechendem Missbrauchspotenzial.

Budapest spricht von „politischer Erpressung“

In Ungarn reagierte man erwartungsgemäß mit scharfer Rhetorik. Der Fidesz-Abgeordnete Csaba Dömötör sprach gegenüber Euronews von einer „politisch motivierten“ Initiative:
„Geld zurückzuhalten dient nur linken, liberalen Regierungen. Wenn sie wirtschaftlichen Schaden verursachen, profitieren linke Kräfte bei Wahlen – das ist politische Erpressung.“

Ministerpräsident Viktor Orbán selbst lehnte den Haushaltsentwurf rundweg ab und bezeichnete ihn als „Pro-Ukraine-Budget“. Die Kommission stelle angeblich „die Interessen der Ukraine über jene europäischer Bürger“ und solle den Entwurf zurückziehen, so der Premier.

Dass Orbáns Argumentation über den Umweg der Ukraine auf Zustimmung in Brüssel stoßen dürfte, ist jedoch unwahrscheinlich. Der Plan von der Leyens zielt auf das strukturelle Problem mangelnder Rechtsstaatlichkeit im EU-Binnenraum und findet vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zunehmend Rückhalt, auch unter vormals skeptischen Mitgliedern.

Ob der Vorschlag der Kommission Realität wird, hängt von der Einstimmigkeit im Europarat ab – ein Faktum, das Budapest traditionel politisch einzusetzen weiß und sein Veto seit Jahren gebraucht.

Brüssel will seine größten Hebel endlich einsetzen – nicht nur, um Reformen zu erzwingen, sondern um demokratische Mindeststandards in der Union zu sichern.

Haushaltsvorschlag der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2028–2034.

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