Dominik Szoboszlai bewegt sich auf dem Fußballfeld, als hätte er einen eigenen Kompass für Räume, die andere nicht einmal sehen. Der 24-jährige Mittelfeldspieler aus Székesfehérvár hat etwas geschafft, was in Ungarn verloren geglaubt schien: Er bringt Eleganz, Intelligenz und internationale Klasse in eine Nationalmannschaft, deren Fans zuletzt eher durch martialisches Pathos als durch eine dem Erbe von Ferenc Puskás angemessene Fankultur aufgefallen sind. Mit Liverpool hat er nun den Titel der englischen Premier League gewonnen.
Von Főnix Gold zu Red Bull Salzburg
Szoboszlais Weg an die Spitze ist kein Produkt der staatlich orchestrierten Fußballrenaissance, die Viktor Orbáns Regierung seit 2010 mit Milliarden an Steuergeld zu erzwingen versucht. Im Gegenteil: Sein Aufstieg ist eine stille Anklage gegen ein System, das politische Loyalität oft höher schätzt als Talent. Sein Vater, Zsolt Szoboszlai, verließ einst seine Stelle als Jugendtrainer bei Videoton, weil er sich nicht mit der Fidesz-Methode der Sportförderung und Ausbildung anfreunden konnte. Stattdessen gründete er mit Főnix Gold eine kleine Akademie, die trotz fehlender staatlicher Förderung mit Bendegúz Bolla und Dominik zwei der besten ungarischen Spieler der Gegenwart hervorbrachte – und das in einem Umfeld, in dem Training oft improvisiert werden musste, während regimetreue Clubs neue Luxuszentren erhielten.
Dass Dominik Szoboszlai wirklich durchstarten konnte, verdankt er weniger dem ungarischen Verband als dem österreichischen Klub Red Bull Salzburg, wo sein Talent früh erkannt und gefördert wurde. In einem PR-Video aus dieser Zeit – gemeinsam mit einem noch eher unbekannten Erling Haaland – zeigte Szoboszlai schon die Mischung aus Selbstbewusstsein und lockeres Understatement, die ihn bis heute prägt.
Fünf Jahre später sind beide Weltstars. Haaland hämmert Tore am Fließband, Szoboszlai steuert Spiele mit einer Übersicht, die ihresgleichen sucht.
Weltklasse bei Liverpool
Bei Liverpool, wo er seit 2023 spielt, gehört Szoboszlai längst zu den Publikumslieblingen: ein Spieler, der Jürgen Klopps Gegenpressing beherrscht, aber auch das rare Talent besitzt, einem Spiel seinen eigenen Rhythmus aufzuzwingen – und sensationelle Freistöße schießt. In Ungarn hingegen begegnet man ihm bisweilen mit einem eigenartigen Misstrauen. Als Szoboszlai bei Liverpool beim Kniefall gegen Rassismus („Kneeling“) mitmachte, entbrannte eine absurde Diskussion unter ungarischen Fans: Wie könne „unser Held“ sich der westlichen Political Correctness unterwerfen? Dass wahre Größe oft darin liegt, Haltung zu zeigen, selbst wenn es unbequem ist, bleibt offenbar schwer vermittelbar. Die Diskussion drehte sich um ideologische Bekenntnisse statt um den Weltklasse Fußball den Dominik mit seinen (oft rassistischen Anfeindungen ausgesetzen) Mitspielern liefert.
Szoboszlai trägt das ungarische Nationaltrikot mit Stolz – aber ohne die schneidige Pose, die von vielen erwartet wird. Er spricht fließend Deutsch und Englisch, hört gute Musik (wie ihm Kollegen bestätigen) statt Patriotengesänge. Dass er der historisch jüngste Kapitän der Nationalelf und der Europameisterschaft wurde, ist weniger eine Ehrung des Systems als ein Beleg seiner Unumgänglichkeit.
Dominik Szoboszlai zeigt, was Ungarn sein könnte: weltoffen, klug, talentiert. Dass er diesen Weg gegangen ist, obwohl ihm das eigene Land mehr Steine als Stufen in den Weg gelegt hat, macht ihn nicht nur zu einem der besten Fußballer weltweit – sondern auch zu einem stillen Botschafter des anderen Ungarn.
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