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Klopapier und Seife in Ungarns Krankenhäusern ab 1. Januar 2026

Was anderswo selbstverständlich ist, wird in Ungarn ab 2026 zur gesetzlich geregelten Ausnahme

Budapest. In einer neuen Regierungsverordnung (Nr. 315/2025) hat die ungarische Regierung festgelegt, dass ab dem 1. Januar 2026 in den für Patientinnen und Patienten zugänglichen Sanitäranlagen von staatlichen Krankenhäusern verpflichtend Handseife und Toilettenpapier bereitzustellen sind. Die Regelung, veröffentlicht im Amtsblatt Magyar Közlöny, formuliert ohne jeden Anflug von Ironie die Einführung eines Mindeststandards, der im europäischen Kontext seit Jahrzehnten nicht einmal mehr erwähnenswert wäre – hätte er nicht bis dato schlicht gefehlt. Die entsprechende Ergänzung zur bestehenden Verordnung über die zentrale Beschaffung und Versorgung (§ 3.2a) sieht vor, dass Hygieneprodukte – wörtlich „kézmosószer és toalettpapír“ – künftig zentral eingekauft und in allen staatlich betriebenen stationären Einrichtungen verfügbar gemacht werden sollen. Ausdrücklich betont wird dabei die Sicherstellung der Krankenhaus-Hygiene als Regierungsziel. Dass dieser Hinweis nicht in einem medizinischen Bericht aus der Nachkriegszeit, sondern in einem Regierungsbeschluss von 2025 zu lesen ist, spricht Bände.

Ungarns öffentliches Gesundheitswesen ist seit Jahren durch Unterfinanzierung, Personalflucht und infrastrukturelle Vernachlässigung geprägt. In weiten Teilen des Landes berichten Patientinnen und Patienten regelmäßig von Zuständen, die an Entwicklungsländer erinnern: bröckelnde Wände, veraltete Gerätschaften, unzureichende Pflege – und eben das Fehlen grundlegender Hygieneartikel. Angehörige bringen nicht selten Seife, Toilettenpapier oder sogar Verbandsmaterial selbst mit, um die stationäre Versorgung sicherzustellen.

Dass dieser Missstand nun durch ein offizielles Regierungsdokument anerkannt wird, wirkt wie eine groteske Selbstparodie bürokratischer Ignoranz. Statt einer längst überfälligen, umfassenden Reform des Systems wird hier ein einzelnes Symptom gesetzlich kuriert – mit Wirkung erst ab 2026. Bis dahin bleibt es offenbar der Eigenverantwortung von Kliniken, ob oder wie sie für elementare Hygienestandards sorgen. Man wolle, so heißt es im Text, die „zentrale Beschaffung“ sicherstellen – was einerseits auf administrative Zentralisierung, andererseits auf das völlige Fehlen lokaler Ressourcen verweist.

Die Verordnung stammt aus dem Umfeld der Közbeszerzési és Ellátási Főigazgatóság (Zentrale Beschaffungs- und Versorgungsbehörde), einer Einrichtung, die bislang vor allem für den Einkauf von Büromaterial, Lebensmitteln oder Medikamenten für staatliche Institutionen zuständig war. Dass nun auch Toilettenpapier in ihr Zuständigkeitsportfolio fällt, erscheint als logische Folge einer Regierungspolitik, die das Gesundheitswesen seit zig Jahren wie einen lästigen Kostenfaktor und nicht wie einen öffentlichen Dienst behandelt. Der Umstand, dass eine derartige Regelung notwendig ist, markiert einen symbolischen Tiefpunkt: In einem EU-Mitgliedsland, das sich in seiner offiziellen Kommunikation regelmäßig als Bollwerk christlich-konservativer Werte und zivilisatorischer Leitkultur präsentiert, wird es zur Nachricht, dass Patienten auf Kliniktoiletten künftig nicht mehr auf mitgebrachte Rollen angewiesen sind. Der Erlass ist in seiner Formulierung nüchtern, sein Inhalt jedoch ein offenes Eingeständnis jahrzehntelanger Vernachlässigung.

Ein Fortschritt ist das dennoch – allerdings nicht im gesundheitspolitischen Sinne, sondern eher als Spiegel eines Systems, das sich seiner selbst nicht mehr schämt. Wenn Toilettenpapier zur Verordnungssache wird, sind nicht die Prioritäten falsch gesetzt, sondern das ganze System aus den Fugen geraten.

Quellen: Hinweis durch Leserschaft, magyarkozlony.hu
Photo: satirische Karikatur, AI-generiert

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