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Feindbild Donald Tusk – Szijjártó und Orbán haben eine neue Verschwörungszentrale gefunden

Szijjártó konstruiert einen „Siegesplan“ der polnischen Regierung für Ungarns Opposition und Orbán spricht von Sabotage. Die einstige Freundschaft zwischen Warschau und Budapest weicht einseitiger Feindseligkeit.

Budapest/Warschau. Als wäre er persönlich anwesend gewesen, zitiert Péter Szijjártó Aussagen von Polens Premier Donald Tusk und erklärt sie zur Kampfansage an Ungarns Regierung. Der polnische Regierungschef, so behauptet Szijjártó, habe öffentlich eingeräumt, einen „Siegesplan für die pro‑Brüsseler Opposition“ in Ungarn zu entwerfen. Es ist nicht das erste Mal, dass der ungarische Außenminister Zitate verkürzt, um sie in sein ideologisches Raster zu pressen – diesmal geht er weiter: Er stellt Tusk als eine Art politischen Subversiven dar, der fremde Demokratien manipuliert.

Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die einstige Freundschaft zwischen Warschau und Budapest in ihr Gegenteil verkehrt. Was einst als Achse der „illiberalen Allianz“ in der EU galt, ist nun ein geopolitischer Graben.

Konkret wirft Ungarns Außenminister Péter Szijjártó Donald Tusk via Aussendung auf MTI.hu vor, einen „Wahlfahrplan für die ungarische Opposition“ zu entwerfen. Premier Orbán unterstellt der polnischen Regierung eine „Kriegspsychose“ und Sabotageabsichten gegen die Energieversorgung Ungarns. Was steckt hinter der aggressiven Rhetorik Budapests gegen das neue Warschau?

Warschau ist der neue Verschwörer und Sündenbock

Seit dem Wahlsieg Tusks erlebt Polen eine spürbare Rückkehr zur liberalen Demokratie, gar zur Medienfreiheit, Rechtsstaatlichkeit. Allesamt scheinbar No-Gos für das ungarische Regierungslager, das gar nicht mehr kaschiert, wo es seine außenpolitischen Präferenzen sieht: in Moskau, nicht in Brüssel.

Der eigentliche Vorwurf, den Szijjártó erhebt, ist subtiler als er klingt. Hinter der Polemik vom „Siegesplan“ steckt die tief sitzende Angst, dass das ungarische Oppositionslager – nach jahrelanger systematischer Marginalisierung – plötzlich von außen Rückendeckung erhält.

Hinter den populistischen Agitationen geht es weit freundschaftlicher zu: Tusk und Orbán im freundlichen Austausch vor Medien. „i love him when he uses my Arguments“

Russland stille Trennlinie

Der Bruch hat eine zweite Dimension, die offener denn je zutage tritt: Die Haltung zum Krieg in der Ukraine. Tusk positioniert Polen als treibende Kraft europäischer Solidarität. Orbán hingegen wirft Warschau vor, an einer „Kriegspsychose“ zu leiden – und konstruiert eine Verschwörung, in der Polen gemeinsam mit Brüssel die Zerstörung der Druzhba‑Pipeline anstrebe, über die Ungarn weiterhin russisches Öl bezieht.

Dass ein polnischer Minister – Radosław Sikorski – tatsächlich äußerte, es wäre „wünschenswert“, Ungarn nur noch über die Adria‑Pipeline zu versorgen, wird in Budapest als Sabotagephantasie gedeutet. Orbán spricht von einem „Anschlag wie bei Nord Stream“. Die Unverhältnismäßigkeit der Worte offenbart die Nervosität: Polen will Russland isolieren, Ungarn will die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten – und das allen Anschein nach nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen.

Ein weiteres Feindbild: Polen

Szijjártós Vorstoß ist kein außenpolitisches Statement sondern innenpolitischer Schutzwall. Mit dem Bild eines verschwörerischen Donald Tusk, der Aufmärsche für die ungarische Opposition plant, wird eine alte Propaganda erneuert: Opposition gleich Fremdbestimmung. Brüssel gleich Bedrohung. Warschau gleich Verrat.

Dass Tusk 2022 tatsächlich auf einer Oppositionskundgebung in Budapest sprach, wird nun zur historischen Rechtfertigung stilisiert. Dass Fidesz damals haushoch gewann, dient Szijjártó als rhetorischer Rückspiegel. Doch in Wahrheit ist es ein Abwehrreflex. Denn die Realität hat sich verschoben: Die Opposition in Ungarn – mit Péter Magyar als neuer Galionsfigur – ist nun ein ernstzunehmender Faktor. Und dass sich nun auch ein EU‑Mitglied wie Polen offen an ihrer Seite zeigt, destabilisiert das System Orbán mehr als „woke“/“liberale“ Kritik aus Berlin oder Brüssel.

Es bleibt ein diplomatisches Trümmerfeld: Die PiS‑Fidesz‑Achse ist Geschichte. Orbán hat in Polen keinen ideologischen Partner mehr.

Warschau setzt auf eine kompromisslose Politik gegen Moskau. Budapest bleibt im Schatten. Die verbalen Ausfälle gegen Tusk sind Ausdruck strategischer Ohnmacht.

Quellen: Aussendungen via MTI.hu
Photo: Man kann doch auch zusammen. Tusk, Orbán, Fico und Juncker 2016. Wikicommons, Rastislav Polak

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