Während Washington von einer einjährigen Ausnahme spricht, inszeniert Budapest das Treffen Orbán-Trump als diplomatische Erlösung. Die Regierungspropaganda überzieht die Realität und erklärt Zweifel kurzerhand zum Verrat.
Budapest/Washington. Kaum war Viktor Orbán von seinem Washington-Besuch zurückgekehrt, überschlugen sich staatliche Medien mit Lobeshymnen: „Unbegrenzte Ausnahmen“, „gerettete Familienweihnachten“, „Schutzschild gegen Brüssel“. Doch die nüchterne Faktenlage widerspricht dem Triumphgeheul und entlarvt das, was Orbáns Sprecher Peter Szijjártó als „historischen Erfolg“ feiert, als eine Kombination aus Halbwahrheiten, Ablenkung und innenpolitischer Eigenhypnose.
In den Aussendungen der staatlichen Nachrichtenagentur MTI klingt das Treffen zwischen Donald Trump und Viktor Orbán wie ein Wunderakt: eine „indefinite exemption“ von US-Sanktionen gegen russische Öl- und Gaslieferungen, eine „Verdreifachung der Energiepreise verhindert“, ein „financing shield“ als Schutzwall gegen „feindliche Spekulanten“. Kein Wort von Begrenzungen, Bedingungen oder Gegengeschäften.
Reuters hingegen berichtet nüchtern: Die US-Ausnahme gilt für ein Jahr, nicht unbegrenzt. Ein Sprecher des Weißen Hauses bestätigte gegenüber der Agentur ausdrücklich, dass Washington eine jährliche Überprüfung vorsieht und zugleich ungarische Zusagen über den Kauf von US-LNG im Wert von rund 600 Millionen Dollar erwartet.
Orbán und Szijjártó behaupten dennoch ihr Jubelnarrativ.
„Solange er dort Präsident ist und ich hier Premierminister bin, gilt das Abkommen“
sagte Orbán. Das klingt weniger nach Vertrag, mehr nach persönlicher Loyalität und legt offen, wie eng politische Erzählung und Machtpersonalisierung in Budapest inzwischen verwoben sind. Vielleicht will man damit auch gewissermaßen die Bevölkerung erpressen: wählt mich – andernfalls droht eine Verdreifachung der Energiepreise. Solche Rhetoriken sind in den letzten Monaten in Fidesz-Aussendungen Populär geworden: unter der Tisza würde die totale finanzielle Knechtschaft drohen.
Eine Glaubensfrage
Szijjártó nutzte das Regierungsradio und regierungseigene Podcasts, um aus dem Treffen eine nationale Heldengeschichte zu basteln. Widerspruch wird dabei gleich mitverurteilt: Wer an der Version der Regierung zweifle, sei „ein Feind Ungarns“. Eine Sprachfigur, die bezeichnend ist für die Logik des Orbán-Systems: Kritik wird moralisch entwertet, Widerspruch zur illoyalen Handlung erklärt, als Staats- und Nationsfeindlich geframed.
Die angeblich „abgewendete Verdreifachung der Energiepreise“ ist ein Paradebeispiel für Propaganda. Denn die Energiepreise in Ungarn sind seit Jahren politisch gedeckelt, ein System, das an fiskalischen Grenzen operiert. Sollte sich der Weltmarktpreis für Gas oder Öl tatsächlich verdreifachen, wäre das Resultat nicht ein Wunder Orbáns, sondern ein Haushaltsdefizit, das den Staatshaushalt weiter belastet.
Das Framing suggeriert: Ohne Orbán droht der totale Untergang. In Wahrheit handelt es sich um eine selbst geschaffene Drohkulisse, die den Premier als Retter inszeniert und die Verantwortung für die Energieabhängigkeit Ungarns von Russland verschleiert.

Ein „Schild“ gegen Brüssel oder ein neues Risiko?
Fast noch absurder wirkt Orbáns Verkündung eines „US-financing shield“: Die USA würden künftig jeden Angriff auf den Forint oder ungarische Anleihen abwehren. Ein solches Abkommen existiert nach Kenntnis keiner internationalen Finanzinstitution. Washington äußerte sich dazu nicht. Ob tatsächlich ein formales Dokument existiert, bleibt unklar, wahrscheinlich, wenn überhaupt, handelt es sich um eine politische Absichtserklärung, die Budapest nun zur ökonomischen Heilsbotschaft stilisiert.
Man schafft damit ein aufs andere mal eine frei erfundenes Narrativ vom Tapferen Ungarn dass sich gegen EU-Finanzknechtschaft durch monetäre Angriffe erwehrt – nun mit Unterstützung der mächtigen USA.
Die Behauptung, Ungarn könne sich künftig „unbegrenzt“ über die Druzhba- und TurkStream-Pipeline mit russischer Energie versorgen, widerspricht nicht nur der US-Regelung, sondern auch europäischen Energie- und Sicherheitsinteressen. Orbán setzt damit auf eine weitere Entfremdung von Brüssel und auf den symbolischen Schulterschluss mit Trump als vermeintlichem Schutzpatron der Ungarn.
Propaganda im Überschwang
Das ungarische Staatsfernsehen zeigte Orbán und Trump beim Handschlag, ein Bild, das in allen regierungsnahen Portalen in Endlosschleife lief. Der Text dazu: „Wir haben die wichtigste Verhandlung des Jahres erfolgreich abgeschlossen.“
Diese Darstellung hat Methode: Sie soll Kontinuität, Stärke und Souveränität vermitteln, während die Realität auf außenpolitische Isolation und wirtschaftliche Abhängigkeit hinausläuft. Mit oder ohne USA.
Ironisch, aber folgerichtig, wenn Szijjártó behauptet, die Kritiker dieser Version seien „Ungarns Feinde“. Denn wer die Wirklichkeit korrigiert, stört die Inszenierung. Und diese Inszenierung ist seit Jahren zur Substanz ungarischer Außenpolitik geworden.
Quellen: MTI.hu, Reuters, White House press office, Hirado.hu
Photo: White House Press Office




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