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Kaffeehäuser – Die verlorenen Tempel der bürgerlichen Öffentlichkeit - Lob der Kávéház Kultur

Cafés in Budapest

In Budapest gab es einst so viele Kaffeehäuser wie heute Tabakläden. Ende des 19. Jahrhunderts war das Kaffeehaus das pulsierende Herz des öffentlichen Lebens: Schriftsteller, Politiker, Bankiers, Anwälte, Redakteure – und natürlich der gelangweilte Bürger – formten hier bei einer Tasse Kaffee die Welt. Oder zumindest den täglichen Klatsch.

Im Centrál wurde die Legende der Nyugat geboren. Im New York Café diktierte Endre Ady seine Artikel, wie andere ihre Frühstücksbestellung. Im Pilvax rührten die Märzrevolutionäre 1848 nicht nur den Kaffee auf. Das Kaffeehaus war das intellektuelle Operationszentrum des bürgerlichen Budapest.
Man konnte keinen schwarzen Kaffee trinken, ohne dass sich nebenbei eine politische Verschwörung oder eine literarische Revolution zusammenbraute.

Club Kávéház Budapest
Zur Blütezeit der Kaffeehäuser in Budapest

Was beendete die Kávéház Hochkultur?

Jede goldene Ära endet – die der Kaffeehäuser besonders kläglich.

Der Erste Weltkrieg riss dem Bürgertum den schönen Mantel vom Leib. Die darauf folgende Wirtschaftskrisen tat das Übrige. Zuviele Gäste fielen an der Front, andere verarmten so sehr, dass eine Tasse dampfender Kaffee zum Luxus wurde. Während der Weltwirtschaftskrise schlossen viele Kaffeehäuser oder wurden zu Geisterstätten, in denen ein paar treue Stammgäste wie Statuen einer sterbenden Epoche saßen.

Den endgültigen Todesstoß versetzte der Kommunismus. Das autoritäre sozialistische Regime liebte wirklich keine eigenständigen Gedanken – doch im Kaffeehaus rührte schon der kleine Löffel eben traditionell an einer Verschwörung.
Folgerichtig wurden die großen Kaffeehäuser wurden verstaatlicht, umbenannt – zerstört.
Aus dem New York Café wurde das Hungária, anstelle von Kartenspielen gab es nun Brigadetreffen.


Die Freiheit des Denkens wurde mit dünnem Presskaffee vergiftet.
Das Kaffeehaus als Idee – einfach ausgelöscht.

Wer im Budapest der 70er-Jahre Kaffeehausatmosphäre suchte, tat besser daran, zuhause eine Flasche billigen Rotwein zu trinken – denn draußen gab es nur triste Presslokale mit wässrig-bitterem Gebräu auf brüchigen Kunstlederstühlen.

Muvesz Kávéház Budapest
Gemütlich ist es heute allemal: Muvesz Kávéház Budapest

Was blieb?

Heute glänzt das New York Café wieder – restauriert, prunkvoll, mit stolzen Preisen für Touristen.

Auch das Centrál wurde wiederbelebt: elegant, funkelnd, aber mehr für Instagram-Posts Hashtag #Budapest denn als ernstes Debattenforum.

Das Hadik bemüht sich mit Literaturabenden, etwas von der alten Atmosphäre zurückzubringen – aber seien wir ehrlich: Die geistige Aufbruchsstimmung von einst, die Krúdy und Petőfi entfachten, ist heute nur noch ein Schatten an der Wand.

Unsere Kaffeehäuser sind schöner denn je – doch es fehlt ihnen das schlagende Herz.

Der Gast von Heute postet sein Flat-White auf Instagram und schreibt „cooler Ort“, aber nicht „morgen stürzen wir das System“. Der Kellner lächelt, das Klavier spielt, Die Latte Art ist perfekt – aber wir sitzen auf einem Friedhof der bürgerlichen Öffentlichkeit, nicht in einem Salon der entstehenden Zukunft.

Denn das wahre Kaffeehaus lebte nicht vom Kristalllüster,s ondern davon, dass über dampfendem Kaffee Ideen brodelten.

Und doch

Ungarn ist heute keine Diktatur wie zu Sovjetzeiten – Aber eine Demokratie ist Ungarn unter der Orbán Regie ebenfalls nicht.

Vielleicht träumen wir heute anders – bei Startup-Pitches oder Slam-Poetry, nicht bei philosophischen Disputen.

Aber die Kaffeehäuser sind wieder da, wenigstens in ihrer physischen Form – und vielleicht füllen sie sich eines Tages wieder mit echten Gedanken.

Denn solange wir an einem kalten Morgen einen Kaffee schlürfen, bleibt auch der Geist des bürgerlichen Budapest bei uns – wenn auch nur am Grunde unserer Tasse.

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