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Kindeswohl Massenprotest bringt Orbán-Regierung in Erklärungsnot


Zehntausende demonstrieren in Budapest gegen Missbrauchsvorwürfe und systematische Verschleierung. Tisza sieht Verantwortung der Fidesz.

Budapest. Zehntausende Menschen sind am Samstag durch die ungarische Hauptstadt gezogen, um gegen Kindesmissbrauch in staatlichen Jugendanstalten zu protestieren. Angeführt wurde der Marsch von Péter Magyar, dem Vorsitzenden der Tisza-Partei und derzeit wichtigsten Herausforderer von Ministerpräsident Viktor Orbán. Auslöser der Demonstration waren Videoaufnahmen, die diese Woche veröffentlicht wurden und Angestellte einer Budapester Jugendstrafanstalt zeigen sollen, wie sie dort untergebrachte Minderjährige misshandeln.

Ein Skandal mit Vorgeschichte

Die Bilder trafen ein Land, das erst vor knapp zwei Jahren eine politische Erschütterung durch einen ähnlichen Skandal erlebt hatte. Der frühere Leiter der betroffenen Einrichtung befindet sich inzwischen in Polizeigewahrsam. Gegen ihn wird unter anderem wegen des Verdachts ermittelt, ein Prostitutionsnetzwerk betrieben und Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Zwar durchsuchte die Polizei die Anstalt in dieser Woche, doch der Vorwurf jahrelang Hinweise auf systematische Übergriffe ignoriert zu haben, wiegt schwer.

Der Protestzug setzte sich bei winterlichen Temperaturen im Zentrum Budapests in Bewegung, überquerte die Donau und zog am frühen Abend in Richtung Burgberg. Einige Teilnehmer trugen Fackeln, die Stimmung war auffallend still und angespannt. Transparente und Sprechchöre richteten sich weniger gegen einzelne Täter als gegen ein politisches System, dem Versagen und Vertuschung vorgeworfen werden.

Magyars Angriff auf Orbán

Magyar nutzte die Kundgebung für eine scharfe Abrechnung mit der Regierung. Er sprach von einem moralischen Bankrott des Staates und forderte Orbán offen zum Rücktritt auf. Vor der versammelten Menge zog er Parallelen zum Gnadenakt-Skandal von 2024, der damals zum Rücktritt von Staatspräsidentin Katalin Novák und Justizministerin Judit Varga geführt hatte.

Vor zweiundzwanzig Monaten stellte das Land der Regierung eine einfache Frage: Kann sie die Situation der Kinder verbessern oder bleibt sie Komplizin von Kindesmissbrauchern?„, sagte Magyar. Die Antwort der Regierung sei bekannt. Versprochen worden sei viel, passiert sei nichts. „Heute wissen wir: Jedes Mitglied dieser Regierung hat sich auf die Seite der Täter gestellt.

Unter den Demonstranten war auch Sándor Horvát, der aus Tiszabecs an der ukrainischen Grenze angereist war, mehr als 300 Kilometer entfernt.

„In einem anderen Land wäre eine Regierung über so einen Skandal gestürzt“

„Hier klammern sie sich mit Zähnen und Klauen an die Macht.“ Er sei überzeugt, dass Orbáns Zeit ablaufe.

Reaktion der Regierung

Die Regierung verurteilte die in den Videos gezeigte Gewalt ausdrücklich, wies aber den Vorwurf systemischen Versagens zurück. Die bekannt gewordenen Fälle zeigten vielmehr, dass Ungarns Kinderschutzmechanismen funktionierten und Missstände aufdeckten. Mehrere Regierungsvertreter betonten zudem, die betroffenen Jugendlichen seien wegen eigener Straftaten oder schweren Fehlverhaltens in der Einrichtung untergebracht gewesen. Der Charakter der Anstalt sei eher mit dem eines Gefängnisses für Minderjährige vergleichbar.

Diese Argumentation stößt bei Kritikern auf heftigen Widerspruch. Der Hinweis auf begangene Delikte rechtfertige weder Misshandlung noch sexuellen Missbrauch, zumal es sich um staatliche Obhut handle. Gerade hier trage der Staat eine besondere Verantwortung.

Politisch heikler Zeitpunkt

Der erneute Skandal trifft Orbán in einer politisch sensiblen Phase. Seit seiner Rückkehr an die Macht 2010 regiert er Ungarn mit gänzlicher Kontrolle über Institutionen und Medien. Die Affäre um den Gnadenerlass 2024 hatte erstmals ernsthafte Risse im Machtgefüge sichtbar gemacht. Erneut le Vorwürfe im Bereich des Kinderschutzes verstärken den Eindruck, dass strukturelle Probleme ungelöst geblieben sind.

Quellen: Reuters, Euronews, MTI.hu
Photo: Péter Magyar bei einem Protestmarsch für Kindeswohl in Budapest am 13. Dezember 2025, Robert Hegedus/MTI

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