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Romokból – Aus Ruinen - Erinnerung neu geboren in Budapest

Geplante Premiere am 30. April 2025 im Kino Café anlässlich des Ungarischen Filmtags.

Im schwachen Licht eines Projektors tanzen Staubkörner durch eine verlassene Bar in Budapest. Die Wände bröckeln, doch die Erinnerungen klammern sich wie Efeu fest. Bence Sipos’ Dokumentarfilm Romokból („Aus den Ruinen“) betritt diese vergessenen Räume und erweckt eine Subkultur zu neuem Leben, die einst hell brannte: die Ruinenkneipen des VII. Bezirks.

Die Ruinenkneipe als Archiv

Romokból ist der erste Film, der die Geschichte der legendären Budapester romkocsma erzählt – bohemische Bars, entstanden aus den Überresten des alten jüdischen Viertels. Der Ort ist kein Zufall. Der VII. Bezirk, historisch als Erzsébetváros bekannt, war vor dem Zweiten Weltkrieg Heimat einer lebendigen jüdischen Gemeinde. Während des Holocaust wurde das Viertel zum Budapester Ghetto – Mauern wurden errichtet, Familien eingesperrt, Geschichte zerschlagen. Nach dem Krieg verfielen diese Gebäude über Jahrzehnte des Kommunismus langsam.

Wenn Sipos’ Kamera über rissige Fliesen und stille Innenhöfe gleitet, begegnen wir Menschen, die aus buchstäblichen Ruinen eine Szene erschufen. Von der Entstehung von Szimpla Kert im Jahr 2002 bis zur inzwischen geschlossenen Mumus ist der Film zugleich Liebesbrief und Klagelied. Die Ruinenkneipen entstanden als kulturelle Wiederverwendung – ein Widerstand gegen Abriss und Auslöschung, eine basisdemokratische Rückeroberung von Raum.

Durch Interviews und Archivmaterial entfaltet sich der Film in drei Akten: die heroische Anfangszeit, der gegenwärtige Zustand und eine ungewisse Zukunft. Sipos und Co-Autor Attila Csizmadia strukturieren ihre Reise als eine Serie von kulcsjelenetek – „Schlüsselszenen“ – in denen sie im wahrsten Sinne des Wortes vergessene Bars aufschließen, um Wellen der Erinnerung auszulösen. Es ist leise, emotionale Archäologie.

Erinnerung, Mythos und Gentrifizierung

Die Ruinenkneipen wurden aus Chaos und Kreativität geboren – Kunstorte, anarchistische Zentren, Gemeinschaftsexperimente. Doch der Film scheut nicht vor ihrer Kommerzialisierung zurück. Was einst als Rebellion begann, steht heute auf TripAdvisor. Touristen strömen zu diesen „authentischen Ruinen“, während Einheimische die verlorene Seele betrauern.

Diese Verschiebung spiegelt Budapest selbst – gefangen zwischen Erinnerung und Moderne, Nostalgie und Neonlicht. Der Film deutet tiefere Spannungen an: Gebäude, die einst Teil des Kriegs-Ghettos waren, sind heute Stationen für Kneipentouren. Die Geister sind nie weit entfernt. Sipos deutet dies an, ohne zu moralisieren, und überlässt es dem Zuschauer, mit dem Zwiespalt zu leben.

Zwischen den Zeilen der Geschichte

Romokból steht in der Tradition des ungarischen reflektierenden Kinos – von Jancsós choreografierter Ideologiekritik bis zu Forgács’ elegischen Heimvideos. Der Film schreit nicht. Er hört zu. Er lässt leere Räume sprechen. Er behandelt einen Barhocker wie ein Artefakt und eine Jukebox wie ein Reliquiar.

Die Ruinenkneipe ist nicht nur ein Trend; sie ist ein Gleichnis. Für Widerstandskraft. Für Vergessen. Für das Erinnern – trotz allem.

Und wie die besten Dokumentarfilme erinnert uns Romokból daran, dass Geschichte nicht immer in Lehrbüchern steht. Manchmal lebt sie in einem Innenhof, unter einer Lichterkette, und wartet darauf, dass jemand auf Play drückt.

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