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Ungarn kriminalisiert Krypto-Handel außerhalb staatlicher Kontrolle - Bitcoin

Budapest. Mit drakonischen Strafandrohungen von bis zu acht Jahren Gefängnis hat Ungarn am 1. Juli 2025 den Handel mit Kryptowährungen auf nicht lizenzierten Plattformen kriminalisiert – ein Schritt, der im Kontext der neuen EU-weiten Krypto-Regulierung (MiCA) für massive Verunsicherung im FinTech-Sektor sorgt und zunehmend als politisch motivierte Abschottung gewertet wird.

Neue Gesetze treffen Anleger, Fintechs und ausländische Anbieter gleichermaßen – Revolut zieht sich zurück

Die Legislative hat überraschend und ohne Übergangsfrist zwei neue Straftatbestände ins Strafgesetzbuch aufgenommen: „Missbrauch von Krypto-Assets“ sowie das „Anbieten nicht genehmigter Kryptobörsen“. Fortan kann bereits der bloße Handel über unlizenzierte Plattformen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Bei einem Transaktionsvolumen über 50 Millionen Forint (ca. 120000 €) drohen drei Jahre, bei mehr als 500 Millionen Forint bis zu fünf Jahre Haft. Anbieter ohne nationale Lizenz riskieren sogar bis zu acht Jahre Freiheitsstrafe.

Betroffen sind davon nicht nur Betreiberplattformen, sondern auch bis zu 500.000 Ungarn, die laut Angaben der Publikation Telex mit offiziell deklariertem Einkommen in Kryptowährungen investiert haben. Die Unsicherheit ist groß: „Es besteht ein echtes Risiko, dass regelmäßige Nutzer strafrechtlich verfolgt werden könnten, nur weil sie ihre Investitionen auf die gleiche Weise wie bisher verwalten“, warnte ein Brancheninsider gegenüber Telex.

Brisant: Die Gesetzesnovelle trat in Kraft, noch bevor konkrete Umsetzungsvorgaben oder Leitlinien veröffentlicht wurden. Die ungarische Finanzaufsicht (SZTFH) hat formal 60 Tage Zeit, um diese nachzureichen – bis dahin herrscht regulatorischer Nebel.

Finanzaufsicht ohne Kompass

Laut Gesetz müssen künftig alle Krypto-Transaktionen durch sogenannte „Validierer“ autorisiert werden – neue, bislang nicht definierte Instanzen, die ein gesetzeskonformes Zertifikat ausstellen sollen. Transaktionen ohne derartiges Zertifikat gelten als rechtlich nichtig und potenziell strafbar. Bislang existieren jedoch weder registrierte Validierer noch ein Zulassungsverfahren, was jede Krypto-Aktivität in eine rechtliche Grauzone verbannt. Crypto-NutzerInnen können angesichts dieser realitätsfremden Regulationen nur den Kopf schütteln.

Obgleich Ausnahmeregelungen für Kleinsttransaktionen angedeutet wurden, fehlt auch hier jede Konkretisierung. Die Ungewissheit hat bereits gravierende Folgen: Am 9. Juli fror die britische Neobank Revolut, mit mehr als zwei Millionen ungarischen Nutzern, ihre Krypto-Dienste ein. Kunden können bestehende Bestände lediglich auf externe Wallets übertragen – neue Käufe, Einzahlungen oder Staking wurden komplett gestoppt.

„Dieser Schritt ist vorübergehend“, ließ Revolut verlauten. Man bemühe sich um eine Lizenz im Rahmen des EU-Regulierungspakets MiCA, jedoch mache die zusätzliche nationale Reglementierung eine zeitnahe Rückkehr schwierig.

Ungarns Alleingang untergräbt europäische Harmonisierung

Die neue Linie der Orbán-Regierung fällt in eine Phase, in der die Europäische Union mit MiCA erstmals einen einheitlichen Regulierungsrahmen für Krypto-Assets schafft. Die meisten Mitgliedsstaaten setzen die Vorgaben gestaffelt und koordiniert um – Ungarn hingegen prescht mit unilateralen Strafandrohungen vor.

„Es ist unverständlich, warum Ungarn so restriktive Regeln einführt, während die EU einheitliche Standards einführt“, urteilt ein Analyst in Forbes. Tatsächlich entsteht ein regulatorisches Paradox: Während ungarische Nutzer auf inländischen Plattformen mit Strafverfolgung rechnen müssen, bleiben Transaktionen über ausländische Anbieter wie Binance oder Coinbase mangels Durchsetzbarkeit vorerst unangetastet.

Gleichzeitig kündigte die ungarische Zentralbank an, Kryptowährungen vollständig aus ihren Devisenreserven zu streichen. Zur Begründung verwies man auf die hohe Volatilität und mangelnde Rechtsklarheit. „Wir müssen Stabilität und Verlässlichkeit in unseren Reserven Priorität einräumen“, hieß es aus der Bankzentrale – ein Statement, das kaum verhohlen den regulatorischen Kurs flankiert.

Ideologische Regulierung im Schatten der Machtpolitik

Die Maßnahme reiht sich ein in eine Serie wirtschaftspolitischer Schritte, mit denen die Regierung ausländische Einflussnahme und urbane, bildungsnahe Milieus zunehmend reguliert. Bereits zuvor wurden Beteiligungen ausländischer Unternehmen begrenzt und Bürger-Spenden an staatliche Stellen kanalisiert. Kritiker sehen darin einen gezielten Versuch, oppositionelle Schichten finanziell zu entmachten und internationale Player zu marginalisieren.

Die Krypto-Regulierung folgt dieser Logik. Während andere Staaten auf Integration und Marktöffnung setzen, bevorzugt Budapest Kontrolle und Abschottung – mit hohen Kosten für Innovation, Vertrauen und Wettbewerbsfähigkeit.

Infobox: Bitcoin und Kryptowährungen in Ungarn

  • Nutzerzahlen: Rund 500.000 Ungarn halten laut Telex offiziell deklarierte Krypto-Vermögen – das entspricht ca. 5 % der Bevölkerung.
  • Marktdynamik: Zwischen 2020 und 2023 hat sich die Zahl der Krypto-Investoren mehr als verdoppelt, was auch dem massiven Zuwachs an digitalen Finanzdienstleistern geschuldet war.
  • Revolut-Effekt: Mehr als 2 Millionen Ungarn nutzen Revolut – viele davon für Krypto-Investments. Der Einfriervorgang hat daher einen breiten Kreis direkt betroffen.
  • Krypto-Adoption: Ungarn lag 2024 laut Chainalysis im unteren Drittel Europas, was die Nutzung von Kryptowährungen im Alltag betrifft – Investitionen dominieren über Gebrauch.
  • Top-Plattformen: Die beliebtesten Plattformen unter ungarischen Nutzern waren zuletzt Binance, Kraken und Bitpanda – alle operieren grenzüberschreitend.
  • Steuerstatus: Seit 2022 gilt in Ungarn ein fixer Steuersatz von 15 % auf Krypto-Gewinne, sofern diese deklariert und nachvollziehbar verbucht werden – das bisher vergleichsweise liberale Klima wurde nun revidiert.

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