Szekszárd. Bereits zum achten Mal fand die Weltmeisterschaft im Gräberschaufeln in Ungarn statt – ein Wettbewerb, der zwischen morbidem Kuriosum und ernstgemeinter Berufsehre schwankt.
Ernsthafter Wettbewerb
Grabtiefe 1,6 Meter, Breite 80 Zentimeter, zwei Stunden Zeit: Was klingt wie die nüchterne Anleitung einer Friedhofsverordnung, ist in Ungarn Grundlage eines internationalen Wettkampfs. Die Weltmeisterschaft der Totengräber, veranstaltet in Szekszárd von der MTFE, zieht Fachleute aus mehreren Ländern an – und will ein Berufsbild rehabilitieren, das mit Vorurteilen zu kämpfen hat.
Zwei Männer, eine Grube und zweieinhalb Tonnen Erde – wer sich die Weltmeisterschaft im Gräberschaufeln als schräge Folklore vorstellt, unterschätzt die Ernsthaftigkeit, mit der die ungarischen Veranstalter zu Werke gehen. Seit acht Jahren lädt die Magyarországi Temetőfenntartók és Üzemeltetők Egyesülete (MTFE) – die ungarische Vereinigung der Friedhofsbetreiber – zum internationalen Vergleich der Totengräber. In diesem Jahr wurde nicht nur geschaufelt, sondern auch eine Botschaft vermittelt: Das Handwerk am Grab verdient mehr als ein Schulterzucken.
Wettkampf mit Tiefgang
Auf dem städtischen Friedhof von Szekszárd, südlich von Budapest, traten in diesem September insgesamt zwölf Zweierteams gegeneinander an. Die Regeln sind klar umrissen: Innerhalb von zwei Stunden muss ein Grab mit den Maßen 200 x 80 x 160 Zentimeter von Hand ausgehoben werden – ohne maschinelle Hilfe, allein mit Schaufel, Spitzhacke und Muskelkraft. Anschließend wird die Grube wieder verfüllt, der Erdhügel glatt gezogen, die Ränder sauber abgezogen.
Bewertet wird nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Präzision und Ästhetik der Ausführung. Die Jury vergibt Punkte für gerade Wände, exakte Maße, ein ebenes Grabbett und die Form des Erdaufwurfs. Insgesamt 10 Punkte können erreicht werden, wobei selbst kleine Ungenauigkeiten oder unsaubere Kanten zum Punktabzug führen.
Das Team Parakletosz Nonprofit Kft, das für eine Friedhofsverwaltung nahe Szolnok antrat, sicherte sich bereits zum zweiten Mal in Folge den ersten Platz – mit einer Arbeitszeit von nur etwas über 90 Minuten.
Internationales Teilnehmerfeld
Der Wettbewerb zieht längst nicht mehr nur ungarische Fachkräfte an. In diesem Jahr nahmen auch Teams aus der Slowakei, Polen und erstmals aus Russland teil. Die Gruppe aus Novosibirsk, von Medien etwas süffisant als „Letzte auf der Rangliste“ bezeichnet, zeigte sich dennoch zufrieden: „Wir wollten zeigen, dass auch in Sibirien gute Handarbeit geleistet wird – das hier ist keine Show, sondern echte Anerkennung für unsere Arbeit“, sagte ein Teilnehmer gegenüber dem Portal Kyiv Post.
Mit dem internationalen Format will die MTFE nicht nur den Austausch unter Berufskollegen fördern, sondern auch die Ausbildung und Professionalisierung innerhalb Europas vorantreiben. Unterstützt wird die Veranstaltung deshalb auch von der FIAT-IFTA, der internationalen Vereinigung der Bestattungs- und Friedhofsbranche.
Marginalisierte Berufsgruppe
Hinter dem augenscheinlich bizarren Wettbewerb steckt eine ernste Intention. Die Veranstalter möchten das gesellschaftliche Bild des Totengräbers (ungarisch: sírásó ) korrigieren. „Diese Arbeit ist körperlich hart, emotional belastend und wird kaum gesehen“, so ein Sprecher der MTFE. „Dabei ist sie essenzieller Bestandteil unseres Umgangs mit Tod, Erinnerung und Würde.“
Der Wettbewerb sei auch ein Versuch, junge Menschen für das Berufsfeld zu interessieren – in einer Branche, die vielerorts unter Personalmangel leidet. In Ungarn wurden in den vergangenen Jahren mehrere Ausbildungsinitiativen gestartet, doch das Image des Berufs bleibt ein Hindernis.
Mitunter wird Kritik laut, der Wettbewerb wirke makaber oder respektlos. Die Veranstalter betonen jedoch, dass es sich ausschließlich um symbolische Gräber handelt – ohne Sarg, ohne Leichnam, fern jeder pietätlosen Inszenierung. Das Ziel sei Anerkennung, nicht Belustigung.
Jenseits des Morbiden
Während man am Friedhof oft von Würde spricht, bleibt das Handwerk dahinter anonym. Der Grabschaufel-Wettbewerb bringt diese Arbeit für einen Moment ins Bewusstsein: mit Schweiß, Stolz und einer Schaufel voll Erde – und einer Prise Morbidität.
Quellen: MTFE – Magyarországi Temetőfenntartók és Üzemeltetők Egyesülete: www.mtfe.hu
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