Der Forint hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Wert verloren – gegenüber dem Euro ebenso wie dem Dollar. Was in vielen Ländern als Alarmsignal gelten würde, ist in Ungarn Teil einer bewussten wirtschaftspolitischen Strategie. Doch wie lange lässt sich dieser Kurs halten, ohne dass er zurückschlägt?
Im Sommer 2025 bewegt sich der Forint im Bereich von 390 bis 410 gegenüber dem Euro. Zwar gab es zwischenzeitliche Erholungen, doch der langfristige Trend ist eindeutig: die Währung verliert stetig an Kaufkraft. Für Ungarn ist das keine Neuigkeit – wohl aber für viele internationale Beobachter, die sich fragen, warum dieser Zustand nicht zu politischen Reaktionen führt. Die Antwort liegt in der Strategie der Regierung: Der schwache Forint ist weniger Problem als vielmehr wirtschaftliches Werkzeug.
Ursachen des Wertverfalls
Mehrere Faktoren tragen zur Schwäche des Forint bei. Zum einen wirkt die anhaltend hohe Inflation, die 2022 und 2023 zweistellig war, obwohl sie sich 2024 und 2025 etwas beruhigt hat. Zum anderen verfügt die ungarische Zentralbank nur über begrenzte Möglichkeiten, gegenzusteuern. Zinssenkungen sollen das Wachstum fördern, machen aber den Forint unattraktiv für ausländische Investoren.
Hinzu kommen politische Unsicherheiten: Streitigkeiten mit der EU über Rechtsstaatlichkeit, eingefrorene Fördergelder und eine insgesamt konfrontative Rhetorik schaden dem Vertrauen in den Standort. Selbst wenn Ungarn wirtschaftlich vergleichsweise stabil ist, wirkt das politische Umfeld auf viele Investoren abschreckend.
Politisches Kalkül statt Panik
Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Reaktion der ungarischen Regierung bemerkenswert gelassen. Der Grund: Der schwache Forint bringt auch Vorteile – zumindest aus Sicht der Exporteure und des Staates.
Ungarische Produkte werden auf dem Weltmarkt günstiger, insbesondere für deutsche Abnehmer. Dasselbe gilt für den Tourismussektor: Budapest, Balaton und Co. sind für ausländische Besucher preislich attraktiv. Gleichzeitig profitiert der Staatshaushalt: EU-Fördermittel werden in Euro ausgezahlt, aber in Forint verwendet – was real höhere Einnahmen bedeutet.
Auch für große ausländische Investoren wie Audi, Mercedes oder Bosch rechnet sich der Standort Ungarn – nicht zuletzt wegen der Lohnkosten, die durch den schwachen Forint zusätzlich gedrückt werden.
Doch es gibt Verlierer
Während Exporteure und Staatsfinanzen profitieren, trägt die Bevölkerung die Hauptlast. Löhne und Renten verlieren an realer Kaufkraft, importierte Güter werden stetig teurer. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Auslandsverpflichtungen entstehen zusätzliche Belastungen, etwa durch teurere Rohstoffe oder Währungsschwankungen bei Krediten.
Die Binnenkonjunktur leidet: Wenn die Kaufkraft sinkt, sinkt auch der Konsum – und das trifft insbesondere den Dienstleistungssektor und den Einzelhandel.
Signale an das Ausland
Kurzfristig profitieren ausländische Firmen durchaus von der Lage. Niedrige Lohnkosten und günstige Produktionsbedingungen halten den Standort wettbewerbsfähig. Doch mittelfristig wachsen die Zweifel: Eine schwache Währung ist auch ein Zeichen mangelnder Stabilität. Wer langfristig investiert, will Planungssicherheit – nicht permanente Wechselkursrisiken.
Hinzu kommt, dass die niedrige Kaufkraft der ungarischen Bevölkerung den Binnenmarkt unattraktiv macht. Wer nicht nur produzieren, sondern auch verkaufen will, hat es schwer.
Eine riskante Balance
Die ungarische Regierung scheint derzeit nicht gewillt, den Forint gezielt zu stärken. Ihre Strategie beruht auf kurzfristigen Vorteilen – auf Kosten langfristiger Stabilität. Doch wie lange lässt sich das durchhalten?
Je länger die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt, desto größer wird der soziale und politische Druck. Und je länger der Forint schwach bleibt, desto stärker wachsen im Ausland die Zweifel an Ungarn als verlässlichem Partner. Die entscheidende Frage lautet: Kann ein Land dauerhaft als „billiger Standort“ überleben – in einer Welt, die sich in Richtung Qualität, Nachhaltigkeit und Stabilität bewegt?
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