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Budapest am 23. Oktober – Zwei verschiedene Ungarn auf der Straße

Orbán ruft zum „Frieden“, die Opposition zur Erneuerung. Rivalisierende Massenkundgebungen am Nationalfeiertag.

Budapest. Am 23. Oktober, dem Nationalfeiertag zum Gedenken an den Aufstand von 1956, stand die ungarische Hauptstadt ganz im Zeichen politischer Gegensätze. Während Regierungschef Viktor Orbán Hunderttausende zum „Friedensmarsch“ mobilisierte, versammelte sich gleichzeitig ein breites Oppositionslager um Péter Magyar, den Gründer der Tisza Partei. Beide Lager beanspruchten das historische Erbe des Aufstands, doch die Botschaften hätten gegensätzlicher kaum sein können.

Update: laut unabhängigen Beobachtern von ELTE kamen zum Fidesz-Marsch circa 90.000 Menschen, zur Tisza-Kundgebung deutlich mehr: circa 160.000

Orbáns „Friedensmarsch“

Die regierungsnahe Demonstration startete am Morgen auf der Budaseite der Margaretenbrücke und führte bis zum Parlament, wo Viktor Orbán seine alljährliche Rede hielt. Der Premierminister inszenierte den Marsch als patriotischen Akt gegen äußere Bedrohungen. Unter dem Motto „Wir wollen nicht für die Ukraine sterben“ bekräftigte er seine Haltung, Ungarn dürfe sich nicht in den Krieg gegen Russland hineinziehen lassen.

„Brüssel will ein Kriegslager errichten“, erklärte Orbán vor der jubelnden Menge und zog einen direkten Vergleich zwischen sowjetischer Fremdherrschaft und dem Einfluss der Europäischen Union.

Kritiker sahen in der Veranstaltung keinen Appell für den Frieden aondern eine großangelegte Wahlkampfinszenierung. Für Orbán, der seit 2010 ununterbrochen regiert, gilt der Nationalfeiertag traditionell als Bühne, um seine Anhängerschaft zu mobilisieren und die eigene Politik als „Schutz der Nation“ zu inszenieren.

Magyar und die Gegenbewegung

Nur wenige Kilometer entfernt füllte sich der Platz der Freiheit mit Anhängern der Tisza Párt. Péter Magyar, der ehemalige Fidesz-Funktionär, der sich zum entschiedenen Gegner Orbáns entwickelt hat, präsentierte sich als Stimme des demokratischen Aufbruchs. Zehntausende folgten seinem Aufruf zu einer „neuen politischen Ära„, die Korruption, Machtkonzentration und mediale Gleichschaltung beenden solle.

In seiner Rede warf Magyar der Regierung vor, Ungarn in einen Einparteienstaat verwandelt zu haben. Er sprach von einer „Moral der Angst und Gleichgültigkeit„, die das Land seit Jahren lähme, und versprach, Ungarn zurück in den europäischen Rechtsraum zu führen. Seine Bewegung, so Magyar, stehe für Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und eine klare Westbindung.

Der Tisza-Vorsitzende postete dies auf seinem X-Account:

Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschrieben den Protest als Akt der Befreiung.

„Ich fühlte, es sei Zeit, vom Sofa aufzustehen und zu zeigen, dass wir das System ändern müssen“, sagte eine Demonstrantin dem Sender RFE/RL.

Symbolik des 23. Oktober – zwei Deutungen desselben Erbes

Der Jahrestag des Aufstands von 1956 gilt als Inbegriff ungarischer Selbstbestimmung und nationaler Würde. Doch während Orbán den Tag nutzt, um seine Politik der Unabhängigkeit von Brüssel und Washington zu rechtfertigen, versteht die Opposition das Datum als Mahnung, demokratische Freiheiten zu verteidigen -gerade gegenüber einer Regierung, die sie als autoritär empfindet.

So prallen in Budapest nicht nur politische, sondern auch historische Interpretationen aufeinander. Für Orbán symbolisiert 1956 den Widerstand gegen äußere Einflüsse, für Magyar steht es für den Mut, sich von innerer Unterdrückung zu befreien.

Kampf um die Zukunft Ungarns

Die parallelen Kundgebungen zeigten, wie tief das Land gespalten ist. Während die Fidesz-Gefolgschaft weiterhin in Orbán den Garant für Stabilität sieht, wächst auf der anderen Seite die Hoffnung auf einen politischen Wandel. Meinungsumfragen zufolge hat die Tisza Párt binnen weniger Monate einen zweistelligen Vorsprung erreicht.

Beide Redner beschworen die Zukunft des Landes – Orbán im Zeichen der nationalen Abgrenzung, Magyar im Geist der europäischen Integration. Welche Richtung Ungarn einschlagen wird, entscheidet sich bei den Parlamentswahlen 2026. Der 23. Oktober 2025 könnte sich rückblickend als Beginn einer neuen politischen Phase erweisen – entweder der Bestätigung der alten Macht oder des Aufbruchs in ein anderes Ungarn.

Quellen: Reuters, Associated Press, The Guardian, RFE/RL
Photo: MTI/Kommunikationshauptabteilung des Premierministers/Kaiser Ákos (Premierminister Orbán spricht vor dem Parlament.)

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