Moskau/Bratislava. Mit einem Schritt, der die Spaltungen innerhalb der Europäischen Union weiter vertieft hat, wurde der slowakische Premierminister Robert Fico zum einzigen EU-Staatschef, der an den umstrittenen Feierlichkeiten zum 9. Mai in Moskau teilnahm. Er trotzte damit eindringlichen Warnungen aus Brüssel und löste auch im eigenen Land Proteste aus.
Fico, bekannt für seine pro-russische Haltung, schüttelte im Kreml Wladimir Putin die Hand, bevor er an der jährlichen Parade teilnahm, die den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland zelebriert. Der Kreml nutzt dieses ansich noble Ereignis um das eigene Militär zu verherrlichen – insbesondere vor dem Hintergrund des andauernden Krieges gegen die Ukraine. Neben Fico folgte nur der serbische Präsident Aleksandar Vučić Putins Einladung, was die wachsende Spaltung Europas im Umgang mit Russland unterstreicht.
„freundschaftliche Zusammenarbeit“
Der slowakische Premierminister verteidigte seine Anwesenheit in Moskau mit der Begründung, es handele sich um eine „Gedenkveranstaltung, mehr nicht“. Er betonte, er sei dort gewesen, um „tausenden Rotarmisten zu gedenken, die bei der Befreiung der Slowakei ihr Leben verloren“. In einer Videobotschaft hob Fico hervor, sein Ziel sei es, eine „normale, freundschaftliche Zusammenarbeit“ mit Russland anzustreben.
In der Heimat versammelten sich Bürger auf dem Freiheitsplatz in Bratislava, um gegen seinen Besuch zu protestieren, während europäische Spitzenpolitiker scharfe Kritik äußerten. Die ehemalige estnische Premierministerin Kaja Kallas erklärte: „Alle, die wirklich Frieden wollen, können nicht an der Seite Putins stehen“ – und ergänzte, dass politische Führer „morgen in der Ukraine stehen sollten, nicht in Moskau“. Auch Polens Premierminister Donald Tusk verurteilte den Besuch, nannte Fico oder Vučić jedoch nicht namentlich.
Verweigerte Durchquerung des Luftraums
Um nach Moskau zu gelangen, musste Fico einen Umweg nehmen, da Lettland, Litauen und Estland seinem Flugzeug die Durchquerung ihres Luftraums verweigerten. Er war gezwungen, eine deutlich längere südliche Route zu nehmen. Berichten zufolge führte der Flug über Ungarn, Rumänien, das Schwarze Meer, Georgien und schließlich durch die russische Teilrepublik Dagestan nach Moskau. Ein diplomatisch-avionischer Spießrutenlauf.
Seit seiner Rückkehr an die Macht im Jahr 2023 – seiner vierten Amtszeit als Premierminister – hat Fico die Außenpolitik der Slowakei drastisch verändert. Er stoppte die militärische Unterstützung für die Ukraine, stellte sich gegen EU-Sanktionen gegen Russland und kündigte an, den NATO-Beitritt der Ukraine blockieren zu wollen. Zudem attackiert er regelmäßig den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj und bezeichnet ihn als „einen Komiker, der lügt wie er atmet“ – und wirft ihm vor, den Krieg zu verlängern, um an der Macht zu bleiben. Geschmacklos oder offen russisch-imperialistisch, darüber kann man streiten.
Veto-Ankündigung der EU-Gasblockade ab 2027
Geopolitisch besonders brisant ist Ficos Ankündigung Veto gegen ein von der EU für 2027 geplantes Ende von Gasimporten aus Russland einzulegen.
„Wenn es die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten erfordert, dann werden wir unser Vetorecht gegen ein Verbot des Imports sämtlicher Arten von Energiequellen aus Russland nutzen“
Fico stellte die Wirksamkeit der EU-Sanktionen in Frage,:
„Die Sanktionen gegen Russland funktionieren nicht. Sie schaden in Wirklichkeit der Europäischen Union selbst.“
Zugleich warnte er vor einer ideologischen Abschottung Europas, was aus Ukrainischer sicht besonder zynisch anmuten muss:
„Ich unterstütze nicht die Vorstellung eines neuen Eisernen Vorhangs. Wir werden alles tun, damit wir einander auch durch diesen [möglichen] Vorhang hindurch noch die Hände reichen können.“
Putin wiederum lobte Ficos Entscheidung, trotz „aller Schwierigkeiten“ nach Moskau gereist zu sein.
„Wir schätzen Ihre Entscheidung, zu den Feierlichkeiten des Siegestages zu kommen, sehr“, sagte der russische Präsident. „Ich kenne die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Flug nach Moskau. Dennoch sind Sie hier.“
Es bahnt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung der EU mit dem grundsätzlichen Recht von Mitgliedsstaten, ein Veto einzulegen, an. Mit Ungarn und der Slowakei sind derzeit zwei Mitgliedsstaten wiederholt dabei den Kurs der EU geopolitisch bedeutend zu blockieren. Polen hatte under Kaczyński eine ähnliche Rolle in der EU inne, ist nach dem Regierungswechsel zu Tusk nun aber ausgesprochen europafreundlich.
Kontroverser Populist
Ficos politischer Werdegang ist von zahlreichen Kontroversen geprägt. Einst ein sozialdemokratischer Politiker, wurde seine Karriere immer wieder von Korruptionsvorwürfen und illiberalen Tendenzen überschattet. Er war bereits von 2006 bis 2010 sowie von 2012 bis 2018 Premierminister, musste jedoch nach öffentlichem Aufruhr über die Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak zurücktreten.
Seine Rückkehr ins Amt hat bei liberalen und demokratischen Kräften in Europa Besorgnis ausgelöst. Mit der zunehmenden Annäherung der Slowakei an autoritär geführte Regime und der gleichzeitigen Distanzierung vom europäischen Konsens in der Ukraine-Frage ist Ficos Moskau-Reise eine massive Provokation.
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