Budapest. Auf dem Roma Pride Day am vergangenen Samstag forderte der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony die Rücknahme des umstrittenen Identitätsgesetzes sowie die Aufhebung sämtlicher auf seiner Grundlage erlassener kommunaler Verordnungen. Er bezeichnete das Gesetz als diskriminierend und warnte vor einer Politik der Ausgrenzung gegenüber Roma.
„Städte als Orte des Alltagsfaschismus“
Am Pabst John Paul II. Platz im achten Bezirk richtete Karácsony an die versammelte Menge eine Rede: Es sei „beschämend, dass Gemeinden zu Orten des Alltagsfaschismus geworden sind“. Er erklärte das Gesetz diene letztlich nicht dem Schutz von der Identität von Dörfern, sondern der Abschottung: „die Roma fernzuhalten von ihren eigenen Städten und Dörfern“.
Laut Karácsony wolle das Gesetz den Gemeinden sämtliche Rechte entziehen, sich gegen Macht, Kapital, Profit oder Investoren zu behaupten – außer „gegen die eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürger“. Was ursprünglich zum Erhalt der typisch Identität von Dörfern gedacht gewesen sei, sei inzwischen zu „einem der beschämendsten Gesetze“ verkommen.
„Entweder sind wir alle gemeinsam frei, oder keiner von uns ist es.“
Karácsony erinnerte daran, dass gerade die Roma heute in Ungarn zu den am stärksten diskriminierten Gruppen gehörten: Sie müssten härter kämpfen und stärkere Lasten tragen, wenn sie sich behaupten wollten. Sein Wunsch: „Ein Land, in dem niemand härter kämpfen muss als andere; ein Land, das jedem gleiche Würde und Chancen bietet.“
Rechtsextreme Gesetze
Der Vorstoß kommt vor dem Hintergrund intensiver Kontroversen um mehrere neue Gesetze in Ungarn. Im März 2025 hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das LGBTQ-Pride-Veranstaltungen aus „Kinderschutzgründen“ verbietet und es erlaubt, an solchen Veranstaltungen teilnehmende Personen durch Gesichtserkennungstechnologie zu identifizieren – mit empfindlichen Sanktionen bei Verstößen.
Internationale Menschenrechtsorganisationen und die Europäische Union übten scharfe Kritik: Die Maßnahmen sind ein Bruch fundamentaler Rechte wie Versammlungsfreiheit, Meinungsäußerung und Nichtdiskriminierung.
Karácsony selbst war in der Vergangenheit ein lautstarker Befürworter der Budapest Pride und trat gegen Einschränkungen auf kommunaler Ebene ein.
Ob und wann die Gesetzesrücknahme oder zumindest die Aufhebung kommunaler Verordnungen erfolgt, ist mehr als unklar. Der Druck von Seiten der Zivilgesellschaft, humanitärer Organisationen und internationaler Institutionen wächst jedoch. In einer politischen Umgebung, in der demokratische Grundfreiheiten hinter vorgeblicher Sicherheit, volktümmelnder Identität, antiliberaler Moral und korrupten Regierungsinteressen zurücktreten sollen, spielt Karácsonys Appell eine bedeutende symbolische Rolle – als Signal gegen Ausgrenzung und für eine pluralistische Gesellschaft.
Quellen: MTI.hu, The Guardian, Human Rights Watch, European Parliment.
Photo: Gergely Karácsony, Bürgermeister von Budapest. Europäische Union, 2025. Wikipedia
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