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Umfragen im Schatten der Macht – Warum Regierungsnahe Institute und externe Erhebungen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen

Regierungsnahe Institute sehen Fidesz vorn, unabhängige Demoskopen zeigen ein anderes Bild.

Budapest. Während regierungsfreundliche Institute Fidesz-KDNP stabil bei über 45 Prozent verorten, zeigen unabhängige Erhebungen einen knapperen Ausgang – teils mit einem Vorsprung für die neue Oppositionspartei TISZA. In kaum einem EU-Staat fällt der Unterschied zwischen regierungsnahen und unabhängigen Meinungsumfragen derart drastisch aus wie derzeit in Ungarn. Je nach Herkunft des Instituts schwanken die ausgewiesenen Werte für Fidesz und seine Herausforderer um bis zu zehn Prozentpunkte. Die Divergenz lässt sich nicht allein mit methodischen Unterschieden erklären – es drängt sich der Verdacht politisch motivierter Verzerrung auf.

Die Umfragen-Macher

Ein Blick auf die Herkunft der Institute ist aufschlussreich: Nézőpont, Századvég, Alapjogokért Központ – allesamt von Fidesz-nahen Personen geführt oder direkt aus öffentlichen Mitteln finanziert. Ihnen gegenüber stehen Institute wie Medián, Závecz oder das IDEA Intézet, die zwar gelegentlich Nähe zur Opposition nachgesagt bekommen, jedoch keiner parteilichen Kontrolle unterliegen.

Die Visualisierung dieser Differenz wird in drei häufig zitierten Grafiken deutlich: Während regierungsnahe Institute Fidesz seit Monaten über der 45-Prozent-Marke sehen, verorten unabhängige Demoskopen die Regierungspartei teils deutlich darunter – und geben dem TISZA-Párt, dem von Péter Magyar geführten Oppositionsprojekt, Aufwind mit Werten um die 38 bis 42 Prozent. Eine aggregierte Grafik aller Umfragen wiederum zeigt eine auffällige Streuung, die eher nicht seriös als „statistisches Rauschen“ abgetan werden kann.

Die statistische Kluft

In den Folgenden 3 Grafiken – Aggregierte Umfragen, Regierungsnahe Umfragen und Unabhängige Umfragen – wird die Größe des Problems sichtbar: mit gewöhnlicher statistischer Varianz lassen sich die eklatanten Abweichungen nicht erklären.

Aggregierte Polls
Aggregierte Polls – Alle verfügbaren Umfragen übereinander: Hier liegt Tisza derzeit voran.
Regierungsnahme Polls – Die Umfragen von Regierungsnahen Instituten: Hier liegt Fidesz deutlich voran.
Unabhängige bzw Oppositionelle Polls – Die Umfragen von Unabhängigen Instituten: Hier liegt Tisza deutlich voran.

Vergiftetes Klima

Verstärkt wird der Eindruck einer politischen Instrumentalisierung durch offene Angriffe auf unliebsame Institute. Im Sommer 2025 warf Tamás Lánczi, Leiter der Szuverenitásvédelmi Hivatal, mehreren Instituten – darunter 21 Kutatóközpont, Medián und Publicus – vor, im Auftrag ausländischer Akteure tätig zu sein. Beweise blieb die Behörde schuldig, die Anschuldigungen wurden öffentlich als „durchsichtig und politisch motiviert“ zurückgewiesen.

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Zu bedenken ist jedoch: Viele dieser Institute, ob staatlich beeinflusst oder unabhängig, operieren in einem politisch vergifteten Klima. Das betrifft nicht nur die Formulierung der Fragen, sondern auch die Auswahl der Befragten, die Gewichtung der Antworten und die Veröffentlichung der Ergebnisse. Die politische Funktion von Umfragen wird in Ungarn nicht mehr hinter vorgehaltener Hand diskutiert – sie ist ein Teil des Machtapparats geworden.

In einem Land, dessen Wahlsystem systematisch auf Machterhalt ausgelegt ist – Stichwort Wahlkreise, Medienkonzentration, Finanzierungsvorteile -, sind Umfragen kein Instrument zur Stimmungsmessung, sondern eine Waffe im Informationskrieg. Für Wählerinnen und Wähler bedeutet das: Wer die politische Lage verstehen will, muss zwischen den Zahlen lesen.

Quellen: Wikipedia
Grafiken: Via Wikimedia Commons, User: Quinnnnnby, CC-ASA 4.0

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