Nach massivem Protest rudert Orbáns Regierung vorerst zurück – Kritiker warnen weiter vor Zerstörung unabhängiger Stimmen
Budapest. Die ungarische Regierungspartei Fidesz hat ihre umstrittene Gesetzesinitiative zur Einschränkung von aus dem Ausland finanzierter Organisationen vorerst kalt gestellt. Ursprünglich sollte das Parlament Mitte Juni über den Entwurf abstimmen, nun wurde die Entscheidung auf die Herbstsitzung vertagt. Bürgerrechtsorganisationen feiern die Verschiebung als Teilerfolg, sehen darin aber keinen Anlass zur Entwarnung.
Ein Gesetz gegen jede Form unabhängiger Einflussnahme
Der Gesetzesentwurf, den Fidesz im Mai eingebracht hatte, würde der Regierung weitreichende Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Organisationen einräumen, die ausländische Gelder erhalten – darunter nicht nur private Spenden, sondern auch EU-Fördermittel. Als „Bedrohung der Souveränität“ könnten Gruppen eingestuft werden, wenn sie mit diesen Mitteln „Einfluss auf das öffentliche Leben“ nehmen.
Kritiker zogen Parallelen zum berüchtigten „Agentengesetz“ in Russland. Die Definition möglicher „Bedrohungen“ bleibt bewusst vage – genannt werden etwa Angriffe auf die „verfassungsmäßige Identität“, die „christliche Kultur“, sowie Kritik an der „Vorrangstellung von Ehe, Familie und biologischem Geschlecht“. Damit öffnet das Gesetz einer autoritären Auslegung Tür und Tor.
Widerstand auf breiter Front
Trotz einer komfortablen Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei im Parlament war der öffentliche Druck erheblich. Die ungarische Helsinki-Kommission sprach von einer „Operation Aushungern und Erwürgen“, Transparency International warnte vor einem „dunklen Wendepunkt“ in Ungarns demokratischer Entwicklung. Amnesty International bezeichnete die Verschiebung als „großen gemeinsamen Erfolg“, betonte jedoch: „Erst wenn das Gesetz endgültig vom Tisch ist, können wir aufatmen.“
Auch aus dem Ausland kam scharfe Kritik: Über 90 europäische Chefredakteurinnen und Verleger, darunter aus The Guardian, Libération und Gazeta Wyborcza, forderten die EU zum Handeln auf. Zugleich gingen in Budapest und anderen Städten Tausende Menschen auf die Straße.
Rückzug aus taktischen Gründen?
Fidesz-Fraktionschef Máté Kocsis erklärte gegenüber lokalen Medien, dass „zahlreiche Vorschläge“ zum Gesetz eingegangen seien, die eine Verschiebung nötig machten. In den sozialen Medien schrieb er: „Wir sind uns in der Zielsetzung einig, aber über die Mittel herrscht noch Uneinigkeit.“ Regierungssprecher Zoltán Kovács verteidigte das Vorhaben mit Verweis auf angebliche Einflussnahme aus den USA und Brüssel auf Ungarns politische Debatten.
Trotz der Vertagung ist klar: Die politischen Absichten bleiben bestehen. Seit Viktor Orbáns Machtübernahme 2010 wurden unabhängige Medien, zivilgesellschaftliche Organisationen und oppositionelle Gruppen systematisch zerstört. Der vorliegende Gesetzesentwurf erscheint wie der nächste Schritt in dieser Strategie.
Dass der Gesetzentwurf im Herbst in veränderter oder verschärfter Form zurückkehrt, ist anzunehmen. Der Vorgang zeigt erneut, wie dünn der Boden geworden ist, auf dem Ungarns Zivilgesellschaft noch agieren kann. Entscheidung Vertagt.
Quellen: The Guardian
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