Warum seine Musik heute noch schneidet
Im Jahr 2025 wird weltweit an den 150. Geburtstag von Béla Bartók erinnert. Der ungarische Komponist, Pianist, Volksmusikforscher und Denker war nicht nur eine Schlüsselfigur der ungarischen Kultur des 20. Jahrhunderts, sondern einer der einflussreichsten Erneuerer der europäischen Musikgeschichte. Sein Werk bleibt bis heute unverzichtbar – weil es nicht einfach Musik ist, sondern eine neue Art des Hörens geschaffen hat.
Béla Bartók wurde 1881 in Nagyszentmiklós geboren – in einer Region, in der ungarische, deutsche, rumänische und serbische Kulturen nebeneinander lebten. Diese multikulturelle Umgebung war für ihn nicht Kulisse, sondern Inspiration und Quelle. Anstatt die ungarische Musik im romantischen Stil zu „veredeln“, zog er mit dem Phonographen von Dorf zu Dorf, um Volkslieder aufzuzeichnen – nicht nur in Ungarn, sondern auch in Siebenbürgen, auf dem Balkan und sogar in Nordafrika.
Volksmusik war für ihn kein Zitat, sondern eine Sprache. Kein Ornament, sondern strukturelles Baumaterial. Er suchte das Universelle im Lokalen und wurde fündig.
Parallel zu seiner Feldforschung entwickelte sich Bartók zu einem der originellsten Modernisten des 20. Jahrhunderts. Seine Musik ist dissonant, rhythmisch unberechenbar, formal experimentell – und zugleich streng konstruiert. Die Volksmelodie wird bei ihm nicht folkloristisch zitiert, sondern transformiert zur Grundlage eines neuen musikalischen Ausdrucks.
„Bartók hat nicht Volksmusik arrangiert – er hat aus ihr eine neue Sprache geschaffen.“
Bartók trat mehrfach in Deutschland auf – in Berlin, Frankfurt, Leipzig – und seine Werke erschienen u.a. bei Universal Edition. Doch viele in der deutschen Musikszene wussten zunächst wenig mit ihm anzufangen: Er passte weder zur romantischen Tradition noch zur atonalen Avantgarde. Trotzdem übte er großen Einfluss auf die deutsche Musikpädagogik aus – insbesondere durch seine Rhythmik, Didaktik und Werke wie den Mikrokosmos, der bis heute weltweit gelehrt wird.
In den späten 1930er Jahren wurde Bartók zunehmend politisch desillusioniert. Die Machtübernahme der Faschisten, die Kriegsgefahr und die Orientierung Ungarns an Nazi-Deutschland führten dazu, dass er 1940 in die USA emigrierte. Dort blieb er jedoch ein Fremder. Und doch komponierte er in diesem Exil sein vielleicht zugänglichstes Meisterwerk: das Concerto for Orchestra – ein persönliches Abschiedswerk mit universeller Klangsprache.
Bartóks Musik ist auch heute keine leichte Kost – aber sie verschließt sich nicht. Sie ist nicht nostalgisch, aber tief verwurzelt in der Vergangenheit. Nicht elitär, aber kompromisslos. Sie stellt Fragen, statt Antworten zu liefern.
Gerade in einem Europa, das seine kulturelle Identität sucht, ist Bartók Reibungsfläche und Orientierung zugleich.
Béla Bartók wurde vor 150 Jahren geboren, aber seine Musik erschüttert, bewegt und fordert Stille ein wie kaum eine andere. Das ist selten. Und vielleicht heute nötiger denn je.
Gib den ersten Kommentar ab