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Adria-Pipeline am Limit – Ungarn zwischen US-Sanktionserlass und russischer Abhängigkeit

Budapest/Washington/Zagreb. Die ungarische Öl- und Gasgruppe MOL hat ihre Zweifel an der Adria-Pipeline erneuert: Die Leitung, betrieben von Kroatiens JANAF, könne bislang nur ergänzend dienen und sei nicht zuverlässig genug, um die Versorgung Ungarns und der Region zu garantieren. MOL verweist auf jüngste Kapazitätstests, Verzögerungen bei Lieferungen und das Ausbleiben belastbarer Wartungsberichte seitens JANAF.

MOLs Kernargument ist technisch und ökonomisch: Selbst wenn JANAF die von ihr genannten Mengen an die ungarische Grenze liefern könne, rechne MOL in internen Szenarien damit, dass seine Raffinerien kurzfristig bestenfalls zu etwa 80 Prozent ausgelastet betrieben werden könnten – abhängig von der Rohölsorte und Produktausbeute. Die Firma machte außerdem geltend, JANAF habe Ergebnisse zur Zustandsprüfung des kroatischen Abschnitts und einen Wartungsplan noch nicht vorgelegt. JANAF hat die Vorwürfe zurückgewiesen und konstatiert, Tests hätten unter realen Bedingungen stattgefunden; Zagreb bestreitet, die Kapazität sei unzureichend.

Ungarn bleibt stark von russischen Lieferungen abhängig, insbesondere über die Druzhba-Pipeline. MOLs Warnung untermauert die Einschätzung, dass eine reine Umleitung über die Adria bei einem starken Einbruch der Druzhba-Zufuhren die Lücke nicht vollständig schließt. Das macht Infrastrukturfragen zum außenpolitischen Problemen.

Bei seinem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump am 7. November in Washington versuchte Premier Viktor Orbán, diese Lücke politisch abzufedern. Nach dem Treffen bestätigte das Weiße Haus gegenüber internationalen Medien, dass die USA Ungarn eine einjährige Ausnahmeregelung von jüngsten US-Sanktionen gegen russische Energieimporte gewährt haben. Budapest wertete dies als politischen Erfolg; die ungarische Seite sprach indessen von „unbefristeten“ Zusagen, was jedoch vonseiten der USA nicht bestätigt wurde.

Laut übereinstimmenden Berichten verpflichtete sich Budapest im Gegenzug zu Gegrngeschäften: Vereinbarungen sehen den Einkauf von US-verflüssigtem Erdgas (LNG) im Umfang von rund 600 Millionen US-Dollar vor; zudem wurden Absichten für Lieferungen von US-Kernbrennstoff sowie eine Absichtserklärung zu kleinen modularen Nuklearreaktoren genannt. Diese Zusagen sollen Teil eines Pakets gewesen sein, das Washington als Kompensation für die Ausnahmeregelung akzeptierte. Die genaue juristische Ausgestaltung und Laufzeiten der Zusagen blieben in den verfügbaren Erklärungen unklar.

Faktisch heißt das: Orbán sicherte sich kurzfristig politischen Spielraum für die Fortsetzung russischer Energieimporte – gleichzeitig verspricht Budapest Diversifizierungsmaßnahmen Richtung US-LNG und US-Technologie. Beobachter warnen, dass diese Mischung aus politischer Ausnahme und vagen Wirtschaftszusagen die langfristigen Infrastrukturprobleme nicht löst: Eine Ausnahme von Sanktionen ersetzt nicht die physische Kapazität einer Pipeline oder die Notwendigkeit verlässlicher langfristiger Lieferketten.

Quellen: MTI, MOL-Mitteilung, Reuters, The Guardian, JANAF-Pressemitteilung.
Photo: Karte der Pipelines in Europa. Die Adria-Ölpipeline verläuft durch Serbien, Kroatien und Ungarn. (Wikipedia)

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