Budapest/Moskau/Brüssel: Der erneute Auftritt des ungarischen Außenministers Péter Szijjártó in Moskau sorgt für scharfe Reaktionen aus Brüssel. Während die EU ihre Russlandpolitik weiter verschärft, setzt die Regierung Orbán unbeirrt auf enge Beziehungen zum Kreml.
Zum wiederholten Mal hat Außenminister Péter Szijjártó mit einem Besuch in der russischen Hauptstadt die europäische Einheitslinie gegenüber Moskau infrage gestellt. Auf einer Energie-Konferenz am Mittwoch lobte er die Zusammenarbeit mit Russland und bezeichnete die Versuche der EU, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen, als „verrückt“.
Die Europäische Kommission reagierte umgehend.
„Gerade jetzt ist ein Besuch in Moskau das falsche Signal an Putin“
sagte Sprecherin Anitta Hipper in Brüssel. Jeder bilaterale Kontakt eines Mitgliedstaates müsse die gemeinsame Position der EU respektieren, insbesondere in einer Phase, in der die Beziehungen zu Russland „auf ein Minimum“ reduziert würden.
Die EU bereitet derzeit ihr 19. Sanktionspaket gegen Russland vor, das laut Hipper ein vollständiges Importverbot für Flüssigerdgas (LNG) und Maßnahmen gegen die Ölkonzerne Rosneft und Gazprom Neft umfassen soll. Ziel sei es, die Abhängigkeit von russischer Energie bis 2027 vollständig zu beenden – ein Kernpunkt des REpowerEU-Plans.
Ungarn, das nach wie vor einen erheblichen Teil seines Erdöls über die Druschba-Pipeline aus Russland bezieht, lehnt diesen Kurs ab. In Moskau erklärte Szijjártó: „Derzeit führen zwei Pipelines nach Ungarn, und Brüssel verlangt, dass wir eine davon schließen – im Namen der Diversifizierung. Wie kann die Eliminierung einer Pipeline Diversifizierung sein?“ Für ihn sei dies „reiner Wahnsinn, völlige Unlogik“.
Der zweite Leitungsstrang, die Adria-Pipeline über Kroatien, könne den ungarischen Bedarf laut Regierungsangaben nicht decken. Als Binnenland mit begrenzten Importalternativen verweist Budapest regelmäßig auf seine strukturelle Abhängigkeit von russischen Energieträgern.
In Brüssel wächst jedoch die Ungeduld. Mehrere Diplomaten äußerten gegenüber europäischen Medien, Ungarn gefährde mit seiner Russlandpolitik die Glaubwürdigkeit der gemeinsamen Außen- und Energiepolitik. Hinter vorgehaltener Hand wird zudem auf die wachsende politische Isolation Budapests innerhalb der EU verwiesen. Mehrere EU-Staaten setzen sich für einen Stimmrechtsentzug Ungarns ein – die Maximalstrafe.
Ministerpräsident Viktor Orbán pflegt seit Jahren enge Kontakte zum Kreml und betont regelmäßig, dass Ungarn „Brückenbauer“ zwischen Ost und West sein wolle. Kritiker sehen darin eher den Versuch, nationale Energieinteressen über europäische Solidarität und eine gemeinsame Linie zu stellen.
Der Konflikt zwischen Budapest und Brüssel dürfte sich damit weiter verschärfen. Szijjártó verteidigte seine Reise mit den Worten, die Regierung vertrete „ausschließlich ungarische Interessen“ – eine Formulierung, die in Brüssel mittlerweile als Synonym für systematischen Alleingang gilt.
Quellen: Euronews, Reuters, Politico, Magyar Nemzet, European Commission
Photo: Majilis vom Parlament der Republik Kasachstan (https://commons.wikimedia.org)
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