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Neues NGO-Gesetz zielt auf „ausländische Einflussnahme“ ab - Russische Verhältnisse

Die ungarische Regierungspartei Fidesz unter Premierminister Viktor Orbán hat einen weiteren Gesetzesentwurf vorgelegt, der auf zivilgesellschaftliche Organisationen mit ausländischer Finanzierung zielt. Der Vorstoß mit dem euphemistischen Titel „Transparenz im öffentlichen Leben“ könnte die Arbeit vieler NGOs faktisch unmöglich machen. Die Europäische Kommission hat bereits in einem früheren Fall juristische Schritte eingeleitet.

Gesetz gegen „fremde Interessen“

Der Fidesz-Abgeordnete János Halász reichte am 7. Mai einen Gesetzentwurf ein, der nicht weniger als den Schutz der „nationalen Souveränität“ beschwört. Unter dem Titel „Transparenz im öffentlichen Leben“ wird ein regulatorisches Korsett vorgeschlagen, das sich gezielt gegen Organisationen richtet, die als „bedrohlich für die Souveränität Ungarns“ eingestuft werden.

Konkret sollen betroffene NGOs künftig:

  • keine Spenden aus dem Ausland ohne Genehmigung annehmen dürfen,
  • von der Möglichkeit ausgeschlossen werden, Zuwendungen über das ungarische Steuerzuteilungssystem (1%-Regelung) zu erhalten,
  • ihre Vermögensverhältnisse offenlegen,
  • sicherstellen, dass inländische Spender erklären, keine Mittel aus dem Ausland weiterzuleiten.

Der Entwurf sieht zudem Bußgelder in bis zu 25-facher Höhe der illegal bezogenen Beträge vor.

Erweiterte Kompetenzen für Überwachungsbehörde

Die Kontrolle über diese Vorgänge soll die sogenannte Souveränitätsschutzbehörde (Szuveneritásvédelmi Hivatal) ausüben – ein 2023 gegründetes Gremium, das mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Die Behörde kann NGOs untersuchen, bei „Verdacht“ auf ausländischen Einfluss eine Platzierung auf eine nationale Beobachtungsliste empfehlen und Ermittlungen mit Unterstützung der ungarischen Geheimdienste durchführen.

Ein entsprechender Eintrag in diese Liste bedeutet nicht nur regulatorische Einschränkungen, sondern könnte auch strafrechtliche Folgen haben: Laut dem neuen Gesetz drohen bei Verstößen gegen die Vorschriften bis zu drei Jahre Haft.

NGOs als Feindbild: Kontinuität im autoritären Umbau

Der Vorstoß ist kein Novum in der Innenpolitik Viktor Orbáns. Bereits 2017 versuchte seine Regierung, ausländisch finanzierte Organisationen als „ausländische Agenten“ zu kennzeichnen – ein Vorhaben, das nach juristischem Druck aus Brüssel schließlich zurückgenommen werden musste.

2023 folgte die Gründung der Souveränitätsschutzbehörde, gegen deren Existenz die Europäische Kommission im Dezember Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichte. Der Vorwurf: Die Gesetzeslage verstoße gegen zentrale EU-Rechtsprinzipien, darunter den Schutz personenbezogener Daten sowie die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.

„Russisches Vorbild“ und gezielte Einschüchterung

Kritiker aus der Zivilgesellschaft und Rechtswissenschaft ziehen Parallelen zur russischen Gesetzgebung, mit der dortige NGOs seit Jahren systematisch kriminalisiert werden. In Ungarn sind insbesondere Organisationen betroffen, die sich für Frauenrechte, Minderheitenschutz, Antikorruptionsarbeit oder Flüchtlingshilfe engagieren.

Einige ungarische NGOs kündigten gegenüber Euronews eine gemeinsame Stellungnahme an. Man wolle dem autoritären Trend nicht tatenlos zusehen. In einer ersten Reaktion sagte ein Sprecher einer betroffenen Organisation, die Regierung versuche gezielt, die „letzten Inseln unabhängiger Öffentlichkeit zu unterspülen“.

EU auf Kollisionskurs mit Budapest

Die Europäische Kommission dürfte auch den neuen Vorstoß genau prüfen. Mit Blick auf das jüngst eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen der Souveränitätsschutzbehörde ist davon auszugehen, dass Brüssel weitergehende juristische Schritte erwägt.

In einem Rechtsgutachten des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2023 hieß es bereits, dass die zunehmende Einschränkung zivilgesellschaftlicher Akteure in Ungarn „eine fundamentale Bedrohung für die demokratische Ordnung in einem Mitgliedstaat“ darstelle.

Mit dem neuen Gesetzesentwurf verschärft die Orbán-Regierung ihren Kampf gegen unabhängige Organisationen – und gegen den europäischen Rechtsrahmen. Unter dem Deckmantel der „Souveränität“ setzt sich ein Trend fort, der die zivilgesellschaftliche Landschaft systematisch aushöhlt. Ein autoritärer Staat baut sich nicht mit einem Paukenschlag – sondern mit Verordnungen, Paragrafen und Einschüchterung.

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