Während Viktor Orbán seinen innenpolitischen Rückhalt verliert, dient Ungarns autoritärer Staatsumbau weiterhin als Vorbild für die globale Rechte – insbesondere in den USA unter Donald Trump. Doch der Preis für die Inszenierung als illiberale Avantgarde könnte am Ende der Verlust der Macht sein.
Die politische Lage in Ungarn spitzt sich zu. Mit Péter Magyar formiert sich erstmals seit 15 Jahren ein ernstzunehmender Herausforderer gegen Viktor Orbán, dessen System zunehmend unter dem Gewicht von Korruption, wirtschaftlicher Schwäche und gesellschaftlicher Polarisierung ächzt. Doch nicht nur die innenpolitische Gemengelage macht Ungarn zu einem neuralgischen Punkt der westlichen Demokratien – es ist die globale Ausstrahlungskraft seines „illiberalen Exports“, die nun abermals die USA unter Trump II verändert.
Der Preis des Modells Orbán
Donald Trump Jr. besuchte im April Budapest. Der Ort war nicht zufällig gewählt: Im Dorothea-Hotel, das mit der Familie Orbáns in Verbindung steht, soll er laut Medienberichten eine Rede in geschlossener Gesellschaft gehalten haben. Über „Brücken zwischen Regierung und Wirtschaft“ habe er schwadroniert. Ein euphemistischer Begriff, wenn man bedenkt, wie sehr Ungarns Regierung öffentliche Mittel zur Versorgung loyaler Unternehmer verwendet.
Für konservative US-Denker wie Kevin Roberts, Leiter der Heritage Foundation, ist Ungarn das „Modell“ für eine neue rechte Staatsführung. Was einst als „illiberale Demokratie“ etikettiert wurde, ist zur Blaupause für autoritäre Tendenzen weltweit geworden: Gezielte Medienkontrolle, Feindbildpflege und rechtlicher Aushebelung demokratischer Institutionen.
Doch während sich die Orbánisierung in Washington beschleunigt, beginnen in Budapest unverkennbare Risse im Machtgebilde sichtbar zu werden.
Krise von innen: Korruption, Repression und wirtschaftlicher Druck
Der Widerstand wächst. Seit dem plötzlichen politischen Aufstieg von Péter Magyar, einem früheren Fidesz-Insider, bekommt die Regierung Gegenwind – nicht aus der liberalen Opposition, sondern aus den ehemaligen eigenen Reihen. Seine Bewegung „Tisza“ trifft mit Korruptionskritik, sozialpolitischen Themen und einem professionellen Social-Media-Auftritt einen Nerv.
Laut aktuellen Umfragen könnte Fidesz seine absolute Mehrheit verlieren. Zwar bleibt Orbán formal bis dahin unangreifbar – doch sein Apparat reagiert nervös: Gesetzesinitiativen zur Kontrolle von NGOs und Medien, Drohungen gegen „Schattenarmeen“ aus Richtern und Journalisten, sowie die Aufhebung von Magyars Immunität als EU-Abgeordneter zeugen von wachsender Repression.
„Ein Land unter Vollkontrolle“
„Das ist kein totalitäres System im klassischen Sinn – aber ein vollständig kontrollierter Staat“, resümiert der Ökonom Zoltán Ádám. Wer in Ungarn mit einer Zweidrittelmehrheit regiert, kann die Spielregeln jederzeit ändern. Eine Gewaltenteilung existiert praktisch nur noch auf dem Papier.
Medien wie Direkt36 oder Partizán versuchen dennoch, mit neuen Formaten Gegenöffentlichkeit herzustellen – oft direkt im Kontakt mit der Bevölkerung, jenseits klassischer Verlagsstrukturen. Auch das ist Teil des Widerstands gegen die politische Monopolisierung: Graswurzeljournalismus gegen Propagandamaschinerie. Der Pester Lloyd kann davon auch ein Lied singen.
Transatlantische Ironien
Ein geopolitischer historischer Zynismus liegt darin, dass Ungarn einst auf US-Rat hin demokratisiert wurde, nun den USA als autoritäres Vorbild dient. Doch selbst innerhalb konservativer Kreise in den USA beginnt sich Skepsis durchzusetzen: Orbáns Nähe zu China, sein autoritärer Etatismus, die Abhängigkeit von russischen Energien, all das passt kaum zu klassisch-republikanischen Dogmen.
Ironischerweise könnte gerade die ökonomische Verflechtung mit den USA Orbáns Modell ins Wanken bringen: Sollte Trump etwa Strafzölle auf europäische Produkte einführen, könnte das Ungarns ohnehin kriselnde Wirtschaft empfindlich treffen. Orbans Anti-EU Populismus konnte sich noch nie an der Realität messen und die Zollunion ist zweifelsohne so eine Realität die nicht ignoriert werden kann.
Am Kipppunkt
Ungarn steht an einem Wendepunkt. Das internationale Image des Landes ist zum Polit-Meme geworden: „Disneyland des christlichen Konservatismus“, wie es ein Journalist zynisch formulierte. Doch im Inneren brodelt es.
Wirtschaftlich angeschlagen, gesellschaftlich gespalten und außenpolitisch zunehmend isoliert, bleibt Orbán vorerst im Sattel, der Preis für 15 Jahre Machtkalkül könnte nächstes Jahr hoch ausfallen. Sollte Péter Magyar die kommenden Monate überleben – politisch wie juristisch -, könnte der Umbau des Staates selbst zum Stolperstein für seine Architekten werden.
Basierend auf einer Recherche der Guardian-Korrespondentinnen Ashifa Kassam und Flora Garamvolgyi. Der vollständige Artikel des Guardian ist hier abrufbar.
Gib den ersten Kommentar ab