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Wasserwächter kämpfen gegen das Versanden der Homokhátság

In der südlichen Großen Ungarischen Tiefebene versuchen Bauern und Freiwillige mit umgeleitetem Thermalwasser eine Region vor dem ökologischen Kollaps zu bewahren.

Kiskunmajsa. Die Homokhátság, einst agrarisches Kerngebiet zwischen Donau und Theiß, trocknet aus. Sinkende Grundwasserspiegel, ausbleibende Niederschläge und jahrzehntelange wasserpolitische Fehlentscheidungen haben eine Landschaft hervorgebracht, die von Forschern als semiarid – das heißt umgangssprachlich überwiegend trocken – beschrieben wird. Nun setzen lokale Initiativen auf einen ungewöhnlichen Ansatz: überschüssiges Wasser aus Thermalbädern.

Oszkár Nagyapáti steigt in eine sandige Grube auf seinem Land nahe Kiskunmajsa. Mit bloßen Händen gräbt er in den Boden, bis sich trübes Wasser sammelt. „Es wird jedes Jahr schlimmer“, sagt er. „Wo ist all das Wasser geblieben?“ Die Szene steht exemplarisch für eine Region, deren Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Eine Region im hydrologischen Ausnahmezustand

Die Homokhátság, ein ausgedehntes Sandrücken-Gebiet im Süden der Großen Ungarischen Tiefebene, zählt zu den am stärksten von Austrocknung betroffenen Regionen Ungarns. Ein wissenschaftlicher Beitrag im Journal European Countryside von 2017 spricht von einer in Mitteleuropa einzigartigen Entwicklung, ausgelöst durch das Zusammenspiel von Klimawandel, ungeeigneter Landnutzung und mangelhafter Umweltsteuerung. Flächen, die über Jahrhunderte regelmäßig von Donau und Theiß überflutet wurden, sind heute von natürlichen Wasserkreisläufen abgeschnitten.

Kanalisierte Flüsse, Entwässerungssysteme und immer längere Trockenperioden haben die Böden ausgelaugt. Wo früher Getreide, Wiesen und Weiden dominierten, säumen heute rissige Erde, Sandverwehungen und versiegte Brunnen das Bild. In Teilen der Region erinnern die Bedingungen eher an Steppenlandschaften als an Mitteleuropa. Semiarides Klima.

Die Wasserwächter

Aus dieser Situation heraus hat sich eine lose Gruppe von Landwirten und Freiwilligen gebildet, die sich selbst Wasserwächter nennt. Angeführt von Nagyapáti suchen sie nach Wegen, Wasser in der Landschaft zu halten, statt es weiter abzuleiten. Ihr Ansatz ist pragmatisch: überschüssiges Thermalwasser, das bislang ungenutzt in Kanäle floss, soll gezielt zur Wiedervernässung eingesetzt werden.

Ungarn verfügt über zahlreiche Thermalquellen, das warme Wasser wird aus großer Tiefe gefördert und nach der Nutzung in Bädern oft entsorgt. Nach Verhandlungen mit Behörden und einem nahegelegenen Thermalbad gelang es den Wasserwächtern, abgekühltes und gereinigtes Wasser auf ein niedrig gelegenes Feld umzuleiten. Dort soll eine Fläche von rund 2,5 Hektar kontrolliert überflutet werden.

Wasserwächter von facebook

Künstliche Überflutung als Rückgriff auf alte Kreisläufe

Die Idee knüpft bewusst an historische Zustände an. Künstliche Überflutung soll jene natürlichen Hochwässer ersetzen, die früher den Grundwasserspiegel stabilisierten. „Wenn das Wasser wieder zurückgeht, bleibt hier eine zusammenhängende Wasserfläche“, sagt Nagyapáti. „In dieser trockenen Gegend ist das ein ungewöhnlicher Anblick.“

Neben steigenden Grundwasserständen erhoffen sich die Initiatoren positive Effekte auf das lokale Mikroklima. Verdunstung könne die Luftfeuchtigkeit erhöhen, Temperaturen dämpfen und Staubbelastung reduzieren. Meteorologen halten Wasserretention in Zeiten des Klimawandels für entscheidend. Die Atmosphäre erwärme sich weiter, Niederschläge würden unregelmäßiger und extremer verteilt.

Eine Studie der Eötvös-Loránd-Universität aus dem Jahr 2024 bestätigt diese Entwicklung für die Region. Ungewöhnlich trockene Luftschichten nahe der Oberfläche verhindern demnach, dass ankommende Wetterfronten Regen bringen. Stattdessen ziehen sie mit starken Winden durch und entziehen dem Boden zusätzliche Feuchtigkeit.

Erste Effekte, Staat bleibt passiv

Nach einem weiteren extrem trockenen Sommer setzten die Wasserwächter ihr Projekt um. Sie blockierten Schleusen an einem Kanal, das Thermalwasser sammelte sich langsam. Anfang Dezember hatte sich eine flache Sumpflandschaft gebildet. Die Wirkung sei bereits spürbar, sagt Nagyapáti, in einem Umkreis von mehreren Kilometern – für Vegetation, Bodenfeuchte und möglicherweise auch für das Grundwasser.

Die ungarische Regierung reagierte zuletzt mit der Ankündigung einer staatlichen Dürre-Taskforce. Wiederholte Ernteausfälle und witterungsbedingte Schäden belasten auch die Volkswirtschaft.

Für die Wasserwächter ist der Ansatz bewusst lokal gedacht. Die Gruppe zählt inzwischen mehr als 30 Freiwillige und plant weitere Überflutungsflächen. „Es geht nicht nur um Thermalwasser“, sagt Nagyapáti. „Jede Form von Wasser, die wir in der Landschaft halten, ist eine Chance.“

Quellen: Euronews, Eötvös Loránd University
Photo: Kiskunmajsa – Freiwillige Wasserwächter von Marispuszta. (Facebook)

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