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Brüssel schweigt – Budapest tobt: Streit um Angriffe auf die Druzhba-Pipeline

Ungarns Außenminister attackiert EU-Kommission wegen Untätigkeit – Szijjártó wirft Selenskyj „Erpressung“ vor

Budapest/Bratislava/Kyiv. Nach den jüngsten Angriffen auf die Druzhba-Ölpipeline, die Ungarn und die Slowakei direkt mit russischem Öl versorgt, verschärfte sich der Ton zwischen Budapest, Brüssel und Kyiv. Außenminister Péter Szijjártó wirft der Europäischen Kommission „schuldhafte Untätigkeit“ vor und beschuldigt die Ukraine, die Energieversorgung gezielt als Druckmittel einzusetzen. Kyiv unterdessen hat genügend Gründe, Budapest nicht die Hand zu reichen.

Wiederholte Angriffe auf kritische Infrastruktur

Seit Mitte August wurde die Druzhba-Leitung mindestens dreimal von ukrainischen Drohnenangriffen getroffen – darunter die Pumpstationen Unecha in der Oblast Brjansk und Nikolskoye in Tambow. Jeder Angriff führte zu mehrtägigen Lieferunterbrechungen, die Ungarn wie auch die Slowakei unmittelbar trafen.

Während Budapest die Angriffe als „klare Attacke auf unsere Energiesicherheit“ wertet, verweist Kyiv auf den andauernden russischen Angriffskrieg und bezeichnet die Pipeline als legitimes Ziel militärischer Operationen.

Scharfe Worte gegen Brüssel

Szijjártó nutzte einen Podcast-Auftritt, um der EU-Kommission vorzuwerfen, sich „in Komplizenschaft“ mit Kiew schuldig zu machen. Wörtlich sprach er von einem „Schuss ins eigene Knie“. Die Kommission habe im Januar angekündigt, die Infrastruktur kritischer Energieversorgung in Europa zu schützen, doch seither keinerlei Maßnahmen gesetzt.

„Das ist nicht mehr die Europäische, sondern die ukrainische Kommission“, erklärte der Minister. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen handle nicht im Interesse der Mitgliedstaaten, sondern ordne sich den Forderungen Kyiv unter.

Bilaterale Eiszeit

Besonders empört zeigte sich Szijjártó über Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der vergangene Woche sinngemäß darauf hingewiesen hatte, dass die Druzhba-Pipeline weiterhin Ziel von Angriffen bleibe, solange Ungarn keine eindeutig pro-ukrainische Position einnehme. Für Budapest ist dies ein „offener, schamloser Erpressungsversuch“. Kyiv wiederum fühlt sich von Budapest ohnehin bedroht: Die Blockade von Militärhilfen durch Ungarn im Europarat hat ernsthafte folgen für die Ukraine, das Aufgreifen von ungarischen Spionen in Transkarpatien hilft auch nicht, die bilateralen Beziehungen zu bessern. Kyiv wartet auf einen Regierungswechseln in Budapest, um die Beziehungen wieder zu normalisieren.

Der Außenminister warf zugleich der ungarischen Opposition und „dollarfinanzierten Medien“ vor, im Einklang mit der ukrainischen Linie gegen die Regierung zu arbeiten.

Kroatische Umwege mit steigende Kosten

Ungarn bezieht neben Druzhba Öl auch über die Adria-Pipeline aus Kroatien. Doch deren Kapazitäten reichen nicht aus, um einen längerfristigen Ausfall auszugleichen. Zudem verweigert Zagreb eine Erweiterung und erhöhte zuletzt die Transitgebühren. „So viel zu europäischer Solidarität“, spottete Szijjártó.

Ein Ausbau alternativer Lieferwege wurde bislang verschleppt. MOL arbeitet zwar am Anschluss an die Adria-Pipeline, doch vor 2026 ist keine substanzielle Entlastung zu erwarten.

Strom als Gegenwaffe

Mit Blick auf die bilateralen Energiebeziehungen erinnerte Szijjártó daran, dass Ungarn 30 bis 40 Prozent der ukrainischen Stromimporte sicherstelle. Man könne der Ukraine jederzeit „ernste Schwierigkeiten“ bereiten, wolle dies aber nicht, da man „besser sei“. Gleichwohl, so der Minister, müsse sich Kyiv bei seinen Angriffen vor Augen halten, wie verletzlich es selbst in der Energieversorgung sei.

Von der NASA festgestellte ausgebrochene Feuer an der Unecha-Pumpstation. Photo: NASA.

Chronologie – Die jüngsten Angriffe auf die Druzhba-Pipeline

  • 13. August 2025 – Bryansk/Unecha (Russland):
    Ukrainische Drohnen treffen eine Pumpstation. Folge: mehrtägige Unterbrechung der Lieferungen nach Ungarn und in die Slowakei.
  • 18. August 2025 – Tambow/Nikolskoye (Russland):
    Angriff auf die zentrale Förderstation, erneuter Ausfall der Pipeline, zeitweise Stopp aller Lieferungen.
  • 22. August 2025 – Bryansk/Unecha (Russland):
    Dritter Angriff binnen neun Tagen, diesmal mit Drohnen und Raketen. Schäden an Leitungen und erneute Blockade der Öltransporte.

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