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EU-Agrarmarkt unter Druck: Streit um ukrainische Billigimporte - Landwirtschaft

Polnische und ungarische Bauern wehren sich gegen EU-Handelserleichterungen für die Ukraine. Brüssel spricht von „Integration“, manche Mitgliedsstaaten von „Existenzbedrohung“.

Brüssel/Budapest/Warschau/Kyiv. Die Ausweitung des zollfreien Handels mit ukrainischen Agrarprodukten sorgt für Widerstand in mehreren Mitgliedsstaaten. Während die Ukraine auf Anpassung an EU-Standards verweist, sehen Bauern in Grenzregionen ihre Existenz durch Preisverfall bedroht. Nationale Importverbote halten, trotz EU-Vertrag, an.

Handelsöffnung verschärft alte Konflikte

Am 29. Oktober trat ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine in Kraft. Es ersetzt die bisherigen Übergangsmaßnahmen und erweitert die zollfreie Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte. Die Importquoten für Mais, Weizen, Honig und Geflügel wurden deutlich erhöht.

Länder wie Polen, Ungarn und die Slowakei blockieren dennoch weiterhin ukrainische Agrarimporte per nationaler Verordnung. Sie verweisen auf Marktverzerrungen und fehlende Schutzmaßnahmen. Der ungarische Landwirtschaftsminister István Nagy sprach mittels Aussendung auf MTI.hu von einem „Diktat aus Brüssel“, das die Interessen der einheimischen Bauern untergrabe.

Preisverfall durch Überangebot

Die Ukraine bleibt auch im Krieg einer der größten Agrarproduzenten Europas. Großbetriebe liefern riesige Mengen an günstigen Agrarprodukten wie Mais, Weizen und Sonnenblumenkerne. Seit Beginn des Krieges haben sich ukrainische Agrarexporte in die EU laut CEPS um 117 Prozent erhöht.

Besonders betroffen sind Grenzregionen. In Polen fielen laut Marktanalysen die Weizenpreise im ersten Quartal 2025 um bis zu 15 Prozent. Nationale Produzenten sehen sich unter Druck. Die EU-Kommission verweist zwar auf Schutzklauseln im Abkommen, doch diese greifen nur unter schwer nachweisbaren Voraussetzungen.

Reaktion in Kyiv

Die Ukraine hat auf die anhaltende Kritik reagiert. Ein am 3. November unterzeichnetes Gesetz schafft eine zentrale Zahlstelle für Agrarförderungen nach EU-Vorbild. Ziel ist die Angleichung an europäische Standards bei Subventionen, Transparenz und Kontrolle. Gleichzeitig warnt der ukrainische Agrarsektor vor der Gefahr, dass kleinere Betriebe bei einer zu schnelle Umsetzung aus dem Markt verdrängt werden.

Infografik: Angestellte im ukrainischen Agrarsektor in Prozent, 2008. Quelle: Wikicommons, User Tovel, CC-ASA 3.0

Politischer Preis der Solidarität

Die Debatte hat auch eine europapolitische Dimension. Christian Wehrschütz kommentierte im Pester Lloyd Interview dazu:

Ein EU-Beitritt ist politisch heiß umstritten – Ungarn sagt derzeit Nein, auch Bauern in Polen oder Frankreich sind dagegen.

Rumäniens Präsident Nicușor Dan forderte ein Sonderregime für ukrainische Landwirtschaft, um Druck auf den Binnenmarkt zu reduzieren.

Reformbedarf bleibt

Das aktuelle Abkommen zeigt die strukturellen Schwächen der EU-Agrarpolitik: Ein Binnenmarkt mit einheitlichem Regelwerk trifft auf sehr unterschiedliche Produktionsrealitäten. Langfristig wird die EU nicht um differenzierte Integrationsmodelle und mildere Übergangsregelungen herumkommen, wenn Konflikte wie in den vergangen Jahren – inklusive Blockadeaktionen polnischer Bauern – verhindert werden sollen.

Quellen: MTI.hu, PesterLloyd.net, Euronews, S&P Global, NV.ua
Photo: Ukrainisches Weizenfeld in Kherson Oblast, die Ukrainische Flagge symbolisiert durch die gelben Weizenfelder und den blauen Himmel, Wikicommons, User dobrych, CC-ASA 4.0

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