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Sziget 2026 – Ein Festival, das beinahe nicht stattgefunden hätte

Trotz massiver Haushaltsprobleme der Stadt Budapest und monatelanger Unsicherheit über die Nutzung der Hajógyári-Insel: Das Sziget präsentiert sein Line-up für 2026

Budapest. Die Ankündigung der ersten Headliner für das Sziget Fesztivál 2026 wirkt wie ein Befreiungsschlag. Noch im Frühjahr stand das Großereignis vor einem existenziellen Problem: Der hochverschuldete Budapester Stadthaushalt drohte die bisherige, für das Festival überlebenswichtige Nutzung des Geländes auf der Hajógyári-Insel infrage zu stellen. Hinter den Kulissen liefen schwierige Verhandlungen um Gebühren, Infrastruktur und Haftungsfragen. Nun meldet sich das Festival mit internationalen Namen zurück – und mit der Botschaft, dass der Standort trotz politischer und finanzieller Schieflage gehalten werden konnte.

Der knappe Spielraum der Hauptstadt

Die Budapester Stadtverwaltung befindet sich seit Jahren in einer strukturell prekären Lage. Die Kombination aus staatlichen Eingriffen in die kommunalen Einnahmen, pandemiebedingten Ausfällen und steigenden Infrastrukturkosten ließ auch 2025 kaum Spielraum für freiwillige Leistungen. In dieser Gemengelage wurde der ursprünglich routinierte Vertrag zur Nutzung des Sziget-Geländes plötzlich zum Streitpunkt. Für Tage stand im Raum, dass die Stadt die Insel nur noch zu stark erhöhten Gebühren oder unter Auflagen freigeben könne – Bedingungen, unter denen das Festival finanziell nicht tragbar gewesen wäre.

Die Unsicherheit drang im Sommer 2025 erstmals öffentlich durch: Vertreter des Festivals warnten, ohne rasche Zusage des Rathauses könne ein kompletter Umzug oder sogar eine Pause des Festivals nicht ausgeschlossen werden. Dass dies für Budapest einem Imageverlust gleichgekommen wäre, war beiden Seiten bewusst. Und doch zogen sich die Gespräche bis weit in den Herbst hinein.

Das Comeback der Selbstgewissheit

Nun also die Wende. Wie aus dem veröffentlichten Statement der Organisatoren hervorgeht, hat das Sziget nicht nur seine Standortfrage vorerst geklärt, sondern lässt mit einer ungewöhnlich früh präsentierten Künstlerliste auch demonstrativ Selbstvertrauen erkennen.
Angekündigt wurden unter anderem Twenty One Pilots, Florence + The Machine, SOMBR und Lewis Capaldi. Namen, die den Anspruch unterstreichen, die Insel auch 2026 zu einem europäischen Treffpunkt für ein breites, mehrsprachiges Publikum zu machen. Insgesamt seien bereits rund 40 Künstler verpflichtet.

Karoly Gerendai, der zurückgekehrte Hauptorganisator, formulierte es gewohnt programmatisch: Das Besondere am Sziget sei

„eine Vielzahl nichtmusikalischer Programme, einzigartige Spektakel und hochwertige Dienstleistungen für Erholungssuchende … was wir anbieten, unterscheidet sich vom üblichen Modell“.

Die Botschaft liest sich zwischen den Zeilen wie eine Antwort auf die Wackellage der vergangenen Monate: Das Festival ist mehr als eine Konzertreihe, es ist ein komplexes städtisches Ökosystem – eines, das der Stadt nicht nur kulturelle Sichtbarkeit, sondern auch erhebliche Einnahmen über Tourismus und Dienstleistungen einbringt.

Politische Kontinuitäten, finanzielle Bruchstellen

Dass es überhaupt zu einer Gefährdung des Festivals kommen konnte, verweist auf eine strukturelle Schwäche des Budapester Kommunalmodells. Während die Regierung Orbán der Hauptstadt in den vergangenen Jahren wiederholt Mittel entzog und zusätzliche Aufgaben übertrug, kämpft die Stadtverwaltung darum, zentrale Projekte und Grunddienste aufrechtzuerhalten. Kulturveranstaltungen, so prestigeträchtig sie auch sind, geraten in solchen Situationen naturgemäß unter Druck.

Das Sziget, dessen Infrastrukturbedarf jährlich wächst und dessen Besucherzahlen zuletzt wieder anstiegen, traf diese Situation mit aller Wucht. Mehrkosten für Sicherheit, Abfalllogistik und Verkehr führten zu jener Debatte, die die Zukunft der Veranstaltung zwangsläufig berührte: Wer trägt die städtischen Rahmenkosten eines internationalen Großereignisses in einer finanziell geschwächten Metropole?

Eine endgültige Antwort bleibt die Politik schuldig: Für 2026 wurde eine Lösung gefunden. Was danach geschieht, hängt vom Haushalt der Stadt ebenso ab wie von der Bereitschaft der Regierung, Budapest nicht weiter auszubluten.

Ein Line-up gegen die Unsicherheit

Die Liste der bereits engagierten Acts – darunter Tomora, das neue Projekt von Tom Rowlands und Aurora, zudem Dijon, Biffy Clyro, Ashnikko, Tash Sultana und Indira Paganotto – zeigt, dass die Organisatoren keine Übergangslösung planen, sondern ein reguläres, vollwertiges Festival. Die optisch bereits breit gestreute Programmvorschau, in der ebenso Nachwuchsnamen wie etablierte Größen auftauchen, soll den Eindruck entkräften, die Krise habe das Festival beschädigt.

Doch bleibt der Standort politisch verletzlich. Sollte sich die Haushaltslage der Hauptstadt weiter verschärfen oder Budapest zusätzliche fiskalische Lasten auferlegt bekommen, könnte die Debatte um die Nutzung der Insel schnell zurückkehren. Dass die Organisatoren diese Unsicherheit kennen, zeigt die auffällige Betonung, man biete „mehr Genres als zuvor“ an – ein Hinweis auf den Versuch, möglichst breiten Zuspruch zu sichern und damit auch den politischen Rückhalt zu stärken.

Das Sziget ist ein urbanes Statement der Offenheit, ein Kontrast zur illiberalen politischen Landschaft außerhalb der Hauptstadt. In der paradoxen Lage, dass die Stadt einerseits das Festival benötigt, andererseits aber kaum die finanziellen Mittel hat, es zu tragen, spiegelt sich der politische Zustand Ungarns.

Sziget Fesztivál 2026
11.–15. August 2026, Hajógyári-Insel, Budapest
Mit Twenty One Pilots, Florence + The Machine, SOMBR, Lewis Capaldi u.v.a.
Mehrtägiges Musik- und Kulturfestival mit internationalem Line-up, Performances, Installationen und Open-Air-Programmen.
Tickets und Informationen: Offizielle Website des Sziget Fesztivál.

Quellen: MTI.hu, Angaben der Festivalleitung, https://sziget.hu/en, Stadt Budapest
Photo: Festivalplakat 2026

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