Die Nationalversammlung verabschiedet Gesetz gegen künstlich gezüchtetes Fleisch – Brüssel warnt vor Vertragsbruch
Budapest. Das ungarische Parlament am Dienstag mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das die Produktion und den Verkauf von laborgestütztem Fleisch verbietet. Laut Berichten von Telex stimmten 140 Abgeordnete dafür, lediglich 10 dagegen, 18 enthielten sich.
Was das Verbot umfasst
Der Gesetzestext definiert „künstliches Fleisch“ als Produkte, die aus tierischen Zellen oder Gewebe unter künstlichen Bedingungen außerhalb eines lebenden Organismus erzeugt werden – kurz: kultiviertes Fleisch mittels Zellkulturen. Pflanzliche Fleischersatzprodukte, etwa auf Basis von Soja oder Erbsenprotein, bleiben davon unberührt. Ausnahmen gelten lediglich für den medizinischen beziehungsweise veterinären Einsatz.
Die Regierung begründet das Verbot mit Sorgen um die Gesundheit der Bevölkerung, Umweltrisiken und einer potenziellen Bedrohung traditioneller Lebensweisen. Beim parlamentarischen Vorstoß betonte Agrarminister István Nagy, dass „die Lebensmittelproduktion nicht vom Ackerland getrennt werden darf. Sonst verlieren wir unsere Kultur.„
EU-Regelwerk kollidiert mit nationaler Entscheidung
Das Gesetz ruft unmittelbar Kritik von Seiten der Europäischen Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten hervor. Brüssel hatte bereits im vorherigen Verfahren gewarnt, dass ein nationales Verbot den EU-Vorgaben zum „Novel Foods“-Regime widerspreche. Laut der TRIS-Mitteilung der Kommission (Notifizierung 2024/0394/HU) existieren erhebliche rechtliche Bedenken.
Mehrere Länder, darunter Tschechien, Litauen, Schweden, die Niederlande und Dänemark, äußerten in Gutachten und Stellungnahmen ihre Ablehnung. Sie argumentierten, das Verbot sei unnötig, solange kultiviertes Fleisch noch nicht offiziell zugelassen ist – und würde, falls doch zugelassen, gegen den freien Warenverkehr innerhalb der EU verstoßen.
Auch die Good Food Institute Europe, eine Organisation für alternative Proteine, warnte bereits im Rahmen der TRIS-Konsultation, dass Ungarns Verbot das EU-weite Zulassungsverfahren untergrabe. Startup-Verbände wiederum sehen in dem Gesetz einen Rückschlag für bio-technologische Innovationen.
Kulturelle Argumentation
Die Regierung verankert das Verbot in einem weltanschaulichen Rahmen, der traditionelle Landwirtschaft als identitätsstiftendes Fundament definiert und technologische Alternativen als potenzielle Gefährdung dieser Ordnung einstuft. Dazu kommen Hinweise auf gesundheitliche und ökologische Unsicherheiten, etwa mögliche Risiken des Zellfleischkonsums oder der hohe Energiebedarf großer Bioreaktoren.
Ungarn steht damit nicht isoliert, denn Italien setzte bereits 2023 ein ähnliches Verbot durch, doch ein nationaler Alleingang könnte Innovation ausbremsen und bei einer späteren EU-Zulassung von kultiviertem Fleisch einen Konflikt mit dem Binnenmarkt auslösen, da nationale Ausschlüsse als Verstoß gegen den freien Warenverkehr gewertet würden.
Quellen: Telex, Atlatszó, EU-TRIS Good Food Institute Europe
Photo: Thirdman, Nahaufnahme einer Laborfachkraft bei der Untersuchung eines Fleischstücks www.pexels.com




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