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Ungarn verabschiedet Gesetz, das den Präsidenten vor Absetzung durch das Parlament schützt

Neue Regel stärkt Verfassungsgericht unter Peter Polt – politisches Signal wenige Monate vor der Wahl

Budapest. Das ungarische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, das die Enthebung des Staatspräsidenten künftig erheblich erschwert. Kern der Reform ist die Übertragung der letzten Entscheidungsbefugnis an das Verfassungsgericht – eine Institution, die seit Jahren loyal auf Regierungs­kurs operiert. Vier Monate vor der Wahl stärkt die Fidesz damit einen Baustein ihres Machtgefüges.

Die Regierungsmehrheit nutzte am Mittwoch ihre verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit, um den bisherigen Mechanismus außer Kraft zu setzen. Bislang konnte das Parlament mit qualifizierter Mehrheit feststellen, dass ein Präsident seine Aufgaben nicht mehr ausüben kann angestoßen durch ein Mitglied der Regierung, den Präsidenten selbst oder jeden beliebigen Abgeordneten. Künftig muss das Verfassungsgericht diese Feststellung bestätigen oder verwerfen. Erst dessen Entscheidung erlangt Rechtskraft.

Regierungsabgeordnete argumentierten, das neue Verfahren schütze den Staat vor einem „potenziell fehlerhaften Beschluss“ des Parlaments, der „rechtliche Verwirrung“ stiften und die „demokratische Funktionsfähigkeit“ beeinträchtigen könnte. Das Verfassungsgericht wird seit Mai von Peter Polt geleitet, der als einer der treuesten Gefolgsleute Viktor Orbáns gilt. Polt, langjähriger Generalstaatsanwalt, war nach seinem Rücktritt umgehend von der Fidesz-Fraktion für zwölf Jahre an die Spitze des Gerichts gewählt worden.

Begrenzte Rolle des Staatspräsidenten

Die Rolle des Staatspräsidenten ist formal begrenzt. Er verfügt über repräsentative Funktionen, kann Gesetze allerdings einmalig zurückverweisen oder dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. In einer Phase, in der Fidesz laut Umfragen Gefahr läuft, nach mehr als anderthalb Jahrzehnten in die Opposition zu geraten, gewinnt der Präsident als potenzielle Gegenmacht an Wert. Ein von der Regierung eingesetzter Staatschef könnte Gesetzentwürfe der Opposition zeitlich verzögern und politische Projekte ausbremsen.

Tatsächlich hat Orbán seit Beginn seiner Amtszeit nur parteiloyale Kandidaten ins Präsidentenamt gehoben. Nach dem erzwungenen Rücktritt von Katalin Novak infolge einer umstrittenen Begnadigung in einem Kindesmissbrauchsfall installierte er Tamas Sulyok, zuvor ein weitgehend unbekannter Verfassungsrichter, als neuen Präsidenten. Sulyok erfüllt seither verlässlich die Erwartungen der Regierungsmehrheit.

Péter Magyar, Spitzenkandidat der Tisza-Partei, hat angekündigt, die rechtlichen Strukturen der Fidesz-Herrschaft zurückzubauen und zentrale Institutionen zu entpolitisieren. Die heutige Reform erschwert diesen Weg erheblich – selbst dann, wenn Tisza im April tatsächlich Regierungsverantwortung übernimmt.

Im Kern zementiert das neue Gesetz ein seit Jahren sichtbares Muster: Entscheidungsbefugnisse, die theoretisch der parlamentarischen Kontrolle dienen, werden in Richtung Institutionen verschoben, die fest unter dem Einfluss der Fidesz stehen. Das Verfassungsgericht fungiert dabei als politisches Sicherheitsnetz, ein Bollwerk gegen den Verlust institutioneller Macht. Die Regierung weist solche Interpretationen natürlich als „Oppositionspropaganda“ zurück und betont den technischen Charakter der Änderung. Doch der Zeitpunkt sowie die eklatante institutionelle Asymmetrie sprechen eine andere Sprache.

Quellen: Bloomberg, MTI.hu
Photo: Tamás Sulyok, Präsident von Ungarn seit 2024. Sándor-Palast – Wikipedia

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