Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

andrassy2015neu2

 

(c) Pester Lloyd / 19 - 2015   GESELLSCHAFT    03.05.2015

 

Vorwurf an deutsche Jugendamtsleiter: Heimkinder zum Kasse machen nach Ungarn geschickt?

Im deutschen Gelsenkirchen wurden zwei Leiter des Jugendamtes vom Dienst suspendiert, nach dem durch einen Medienbericht bekannt geworden war, dass diese offenbar Heimkinder zur Betreuung nach Ungarn "verschoben" hatten, um sich dabei zu bereichern. Die Beschuldigten wehren sich, alles sei rechtskonform verlaufen. Möglicherweise sind auch EU-Projekte involviert.

18jugendamtschalke (Andere)
Screenshot: Monitor, ARD

Das renommierte ARD-Fernsehmagazin „Monitor“ (hier der Beitrag in der ARD-Mediathek) hatte am vorigen Donnerstag berichtet, die zwei Jugendamtsleiter hätten die Kinder wegen angeblicher Überbelegung in ein Betreuungsheim nach Ungarn geschickt, das 2004 (nach unserer Recherche Januar 2005) als Privatunternehmen (Neustart Kft., siehe unten) von denselben Personen gegründet worden war und 2009, angeblich nahe der Pleite, verkauft worden ist.

Das Geschäftsmodell sah so aus: die beiden Beschuldigten hätten das Heim St. Josef (Träger: St. Augustinus Heime GmbH), das rund Hundert Kindern und Jugendlichen ein Zuhause auf Zeit bietet, in den Jahren 2007 und 2008 gezielt überbelegt, um so "Auslandsmaßnahmen" rechtfertigen zu können und Kinder nach Ungarn zu "delegieren". Pro Kind und Monat konnte man 5.500 EUR vom (deutschen) Staat kassieren. Nach dem Monitor-Bericht sollen sowohl die Unterbringungssituation in Ungarn als auch das pädagogische Konzept mangelhaft gewesen sein, entsprechende Verbindungsleute hätten den Anschein von individueller Betreuung aufrecht erhalten.

 

Nach unseren Recherchen (siehe letzter Absatz) könnte das Unternehmen auch Mittel aus einem EU-Programm erhalten haben.

Die Angelegenheit müsse „lückenlos aufgeklärt werden“, reagierte der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD), er berief die beiden Beschuldigten, den Leiter des Jugendamtes sowie dessen Stellvertreter - zunächst - vorübergehend von ihren Posten ab, beraumte mehrere Ausschussitzungen an, forderte Berichte der Heimträger und eines Wirtschaftsprüfers an.

Die Amtsleiter verneinen eine gezielte Überbelegungssituation hergestellt zu haben, schließlich seien die Heime auch von anderen Jugendämtern "beschickt" worden. Das wirtschaftliche Nahverhältnis zur Einrichtung in Ungarn wollten sie nicht erläutern, bestehen jedoch darauf, dass die Betreuung fachgerecht gewesen sei.

Ob auch ungarische Behörden in die Aufklärung der Vorgänge involviert sein werden, ist nicht bekannt. Der Vorfall ist bis dato in den ungarischsprachigen Medien jedenfalls noch gar nicht angekommen, was kein Wunder ist, angesichts der hiesigen, tagtäglichen Korruptions- und Amtsmissbrauchsskandale stellt er ohnehin eine verschwindende Marginalie dar.

 

Über die benannte Firma "Neustart Reszocializációs Kft." gibt es im frei zugänglichen, amtlichen Firmenverzeichnis nur die üblichen Basiseinträge: Die NEUSTART Reszocializációs Kft., Firmenregistrierungsnummer 02-09-069761 wird dort seit 4. Januar 2005 unter zwei Firmensitzen in Pécs notiert: Körömvirág u. 12 sowie Erdész u. 145. Stammkapital sind 3 Mio. Forint, damals das Minimum für GmbH´s. Das Amtsblatt des Firmengerichtes Pécs vermerkt 2008 eine Änderung der Steuernummer (hier der Link), was belegt, dass das Unternehmen damals noch aktiv gewesen sein muss. Im gleichen Jahr wird ein an zweiter Adresse befindliches neu gebautes Haus für ca. 46 Mio. Forint (rund 200.000 EUR) zum Kauf angeboten.

Im Dezember 2006 erscheint das Unternehmen im Newsletter der Universität Pécs in einer Annonce, die nahe legt, dass man auch von EU-Mitteln profitiert haben könnte. In der Anzeige geht es um das EU-finanzierte Programm KÖSZI PROF (in etwa: Danke, Lehrer!), das Praktikanten- und Berufseinstiegsprogramme vermittelte. Neben anderen wird darin unter "Neue Fachausbildungschancen" auch die Firma Neustart Reszocializációs Kft. beworben, die "Praktikanten für die Beschäftigung mit deutschen Heimkindern (14 - 17 Jahre)" sucht, vorausgesetzt werden zumindest "mittlere deutsche Sprachkenntnisse", gesucht werden Studenten aus dem Sozialbereich oder der Psychologie. (Die Annonce finden Sie in
diesem pdf-Dokument, Seite 11)

red.

 

Unabhängiger Journalismus braucht
die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!
18watchingYoupl (Andere)
Unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD!

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!