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(c) Pester Lloyd / 48 - 2015   WIRTSCHAFT     23.11.2015

Milliarden-Poker um AKW-Ausbau: EU will Ungarn zur Einhaltung von EU-Recht zwingen

48paks2 (Andere)Die EU-Kommission hat in der Vorwoche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn bezüglich des geplanten Ausbaus des Kernkraftwerkes in Paks gestartet. Es geht um die Missachtung von EU-Wettberwerbs- bzw. Ausschreibungsrecht. Die Regierung in Budapest reagiert hoch nervös, beklagt, die Souvernität des Landes würde angegriffen. Dabei treibt sie vor allem die Angst, von den Milliarden nicht genug abzweigen zu können und womöglich noch Geldgeber Moskau zu verägern. Um den Deal zu sichern, möchte Orbán sogar die EU-Verträge ändern.

"Die ungarische Regierung hat die Bauaufträge für die Errichtung zweier neuer Reaktoren und der Überholung der zwei bestehenden direkt vergeben, ohne dafür ein transparentes, den europäischen Wettbewerbsregeln entrsprechendes Ausschreibungsverfahren abzuhalten." so lautet die Ankündigung der EU-Kommission, mit einer "formalen Stellungnahme" die erste Etappe eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen Paks II einzuleiten.

 

Die Kommission gibt sich somit nicht mit der von Orbáns Kanzler und Projektverantwortlichen János Lázár verkündeten "Lösung" zufrieden, der einige Unternehmen u.a. aus den USA, Deutschland und Frankreich für Teilaufträge einlud und meinte, damit sei dem EU-Recht Genüge getan. Zwar, so die EU, gab es bereits "einen Austausch über die Vergabe an Rosatom", aber die "Bedenken über die Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bleiben bestehen."

Lázár beharrt indes darauf, dass es bei seinen Absprachen mit dem damaligen Kommissionspräsidenten Barroso im Januar 2014 keine "prinzipiellen" Einwände gegen das bilaterale Abkommen mit Russland gegeben habe und man daher "dem Verfahren gelassen entgegen sieht." Vielmehr handelt es sich um eine Form des "Handelskrieges", denn es sei klar, dass EU-Firmen "auch eine Scheibe von dem 12,5 Milliarden-EUR-Investitionsprojekt abbekommen möchten."

Trotz des EU-Verfahrens "bleibt die Umsetzung von Paks II auf Spur", meinte Lázár. Erst kürzlich hatten die Projektleiter verkündet, dass nun "alle Planungen und Vorgenehmigungsverfahren planmäßig abgeschlossen wurden". Allerdings hat Ungarn bisher darauf verzichtet, auch nur einen Cent aus dem russischen Stand-by-Kredit über 10 Mrd. EUR abzurufen, was ein Hinweis darauf ist, dass man sich seines Vorgehens doch nicht mehr ganz so sicher ist wie man es vorgibt zu sein.

Die ungarische Regierung hat sich mit dem Alleingang mit Moskau in eine schwierige Lage manövriert. Sollte die EU den Ausbau letztendlich untersagen, was der worst case wäre, würden enorme Ausfallzahlungen an Rosatom bzw. dessen beauftragte Tochterunternehmen fällig. Das gleiche gilt, wenn ein Teil der Aufträge an andere Unternehmen, z.B. aus der EU ginge. Es wäre dann möglich, dass Russland das Kreditvolumen um diese Beträge zurückfährt, womit Ungarn ein Finanzierungsproblem bekäme.

Lázár indes negiert das eigentliche Problem, in dem er erklärt, dass die "Schlüsselfrage" sei, ob Ungarn "bilaterale Abkommen mit anderen Staaten schließen darf oder nicht." "Wir werden bis zur letzten Instanz darauf bestehen, Brüssel hat nicht das Recht, uns zu diktieren, mit wem wir Verträge schließen." Allerdings hat Ungarn auch andere Verträge geschlossen, EU-Verträge nämlich, die klare Regeln für Ausschreibungen dieser Größenordnung enthalten. Doch selbst die werden in Frage gestellt. Wie nervös die Nomenklatura in Budapest geworden ist, belegt der Umstand, dass Orbán, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Raubzüge seines Clans gewöhnlich von seinen Adjudanten regeln lässt, sich persönlich einmischte und sogar eine Änderung der EU-Verträge forderte. Er belegt damit ein weiteres Mal, dass er bereit ist, die Gemeinschaft für seine eigenen Interessen - die eben nicht die seines Volkes sind - zu opfern, dass er also ein Antieuropäer und Antidemokrat ist.

Mit einer pragmatischeren Finte, versucht Lázar zunächst sein Land aus der EU-Schusslinie zu bringen. Es sei ja nicht Ungarn gewesen, das den Auftrag für Paks II exklusiv an Rosatom gegeben habe, sondern "die russische Regierung, die ihnen diesen Job gab." Ungarn wolle nun "zusammen mit Rosatom gemeinsam in der EU auftreten, um Bauaufträge an EU-Firmen zu vergeben." Es sei ja zwischen Russland und Ungarn festgehalten, dass 60% des Auftragswertes an EU-Firmen gehen solle, 40% an russische Unternehmen, wobei auch diese wiederum 40% der Wertschöpfung an ungarische "Lieferanten und Subunternehmer" weitergeben sollen.

Was Lázár dabei aber verschwieg: die 60% sollten über Konsortien unter ungarischer Führung vergeben werden, damit Regierungsgünstlinge ordentlich abschöpfen können. Dazu hat man wohlweislich eine absolute Geheimhaltung über alle Verträge bis hin zu den Firmennamen der Beteiligten für 30 Jahre gesetzlich http://www.pesterlloyd.net/html/1510akwpaks30jahreverschluss.html beschlossen. Der Plan: 10 Mrd. EUR aus Moskau gewinnbringend verteilen, danach die ungarischen Steuerzahler (bzw. Stromkunden) die nächsten 30 Jahre alles abzahlen lassen http://www.pesterlloyd.net/html/1422kreditvertraggesetz.html und gleichzeitig billig Strom exportieren. Es wäre der größte Coup von vielen großen Coups der Orbánschen Kleptokratie. Denn dass sich Paks II gesamtwirtschaftlich nicht rechnen wird, hatten sogar Experten des Betreibers MVM bereits vorgerechnet http://www.pesterlloyd.net/html/1407mvmstudiepaks.html. Doch bis das schlagend wird, sind alle heutigen Akteure längst Politrentner oder Auf und Davon.

 

Die ungarische Regierung stellt sich nun auf den Standpunkt, dass sie sich dem "politischen Willen der EU" beugen und ein weiteres Mal um ihre Souvernität gebracht werden soll. Daher plane man sogar vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, um das Grundrecht auf nationale Souveränität einzuklagen oder "in irgendeiner Form eine Sondervereinbarung zu treffen". Nur an Wort und Geist der EU-Verträge will man sich offenbar nicht halten. Als Kronzeugen rief Lázár angeblich ähnlich gelagerte Projekte in Großbritannien, Finnland, Frankreich und Litauen an, "wo der Vertragspartner auch nicht in einer öffentlichen Ausschreibung festgelegt" worden sei. Allerdings - und darin besteht der Unterschied - sind die dortigen Vertragspartner, im Unterschied zu Ungarn, damit befasst, die eigentlichen Bauaufträge EU-konform auszuschreiben. Und nicht mehr will auch die EU, wenn auch die politische Dimension nicht zu leugnen ist. Warum auch sollte die EU einem derart feindlich gesinnten Nachbarn großzügig Geschäfte erlauben.

red. / cs.sz.


 

 

 

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