Budapest. Eine internationale Anti-Korruptionskonferenz der staatlichen ungarischen Integrity Authority (IH) hat am Montag in Budapest begonnen. Die zweitägige Veranstaltung widmet sich der Stärkung verantwortlicher öffentlicher Ausgaben, der transparenten Verwendung von EU- und nationalen Mitteln sowie der grenzüberschreitenden Kooperation in Fragen integrer Regierungsführung. Zu den Schwerpunkten zählen KI-gestützte Risikoanalysen bei Beschaffungen, die Rolle junger Generationen für eine Integritätskultur sowie Kommunikation und Bildung als Instrumente der Korruptionsprävention.
EU-Haushaltskommissar Piotr Serafin unterstrich in seinen Eröffnungsworten, dass die Korruptionsbekämpfung eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Union sei. Serafin mahnte, ein Verlust dieses Vertrauens schade der gemeinsamen Haushaltspolitik und der Legitimität europäischer Instrumente. Er lobte zugleich den Aufbau der Integrity Authority als Beitrag, das institutionelle Vertrauen wiederherzustellen – warnte aber, dass Worte ohne nachhaltige institutionelle Reformen nicht ausreichen.
Selbstbeweihräucherung
Ferenc Pál Biró, Präsident der Integrity Authority, betonte, es gebe keine „Einzellösung“ gegen Korruption. Entscheidend seien unabhängige Institutionen mit weitreichendem Mandat, technische Instrumente zur Überwachung sowie gesellschaftliche Verankerung der Integritätsregeln. Die Behörde stellt ihre neue Daten- und KI-Infrastruktur als Kerninstrument vor, mit der öffentliche Ausschreibungen automatisiert pro-aktiv auf Risikomuster geprüft werden sollen.
Konkrete Zahlen aus dem jüngsten Jahresbericht der Integrity Authority: 25 Ermittlungsverfahren wurden 2024 eingeleitet, 21 davon abgeschlossen; das in diesen Verfahren betrachtete Volumen an EU-Fördermitteln beziffert die Behörde mit HUF 57,022,980,000 (≈ 57 Mrd. Forint). Diese Zahlen stammen aus dem offiziellen Bericht der Behörde an das Parlament und sind die derzeit verlässlichste Grundlage für Aussagen über die Prüfaktivität 2024.
Trotz dieser institutionellen Schritte bleibt die internationale Einordnung schlecht: Transparency International führt Ungarn 2024 mit einem CPI-Score von 41 (Rang 82/180) – ein Indikator einer weiterhin problematischen Korruptionswahrnehmung. Parallel dazu sind große EU-Transfers an Ungarn weiterhin suspendiert; nach aktuellen Übersichten liegen die insgesamt suspendierten Zahlungen bei etwa €19 Mrd. In einzelnen Verfahren wurde zudem über die Aberkennung beziehungsweise das Zurückhalten von Teilbeträgen in Höhe von rund €1,04 Mrd. berichtet. Diese Maßnahmen dokumentieren, dass die EU-Kontrolle über die Verwendung von Mitteln seit mehreren Jahren eine direkte Konsequenz aus wiederholten Governance-Mängeln ist.
Kritiker, darunter antikorruptions-NGOs und parlamentarische Oppositionspolitiker, sehen in der Existenz einer Integrity Authority zwar einen Fortschritt, bemängeln jedoch deren Rahmenbedingungen und Wirkungstiefe. Problematisch sei insbesondere, dass strukturelle Ursachen von intransparenten Vergabeverfahren und politischem Nepotismus – etwa staatliche Vergabeeffekte zugunsten regierungsnaher Unternehmen, Einfluss auf Medien oder Einschränkungen der Justiz-Unabhängigkeit – nicht allein durch Monitoring-Tools gelöst werden können. Solange die politische Struktur der Machtverteilung und die Kontrolle staatlicher Stellen unzureichend reformiert werden, bleibe die Gefahr, dass Anti-Korruptionsmaßnahmen zu teilweisen Symptombekämpfungen verkommen.
Die Konferenz bietet einen Raum für technische Austauschformate – Asset-Tracing, grenzüberschreitende Vermögensrückgewinnung und KI-gestützte Frühwarnsysteme – sowie für die Forderung nach einer beschleunigten Umsetzung der EU-Empfehlungen zur Vermögenssicherung bis 2027. Entscheidend wird sein, ob die Ankündigungen und instrumentellen Fortschritte der Integrity Authority in verbindliche Rechts- und Verwaltungspraxis überführt werden – und ob unabhängige Kontrollinstanzen und die Zivilgesellschaft gestärkt werden, sodass institutionelle Reformen nicht an politischen Interessen scheitern.
Quellen: Integrity Authority (Jahresbericht 2024, Konferenzprogramm), Amt des EU-Kommissars für Haushalt und Anti-Betrug, Transparency International (CPI 2024)
Photo: integritashatosag.hu




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