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Kúria-Urteil zur Solidaritätsabgabe: Regierung weist Budapests Teilsieg zurück

Oberstes Gericht erklärt Abbuchungen des Staatsschatzamts für rechtswidrig – Zahlungspflicht bleibt bestehen

Budapest. Das Oberste Gericht Ungarns Kúria hat in der Rechtssache Kfv.V.35.088/2025 das Vorgehen des Staatsschatzamts Magyar Államkincstár gegen die Hauptstadt Budapest für ungesetzlich erklärt. Die Entscheidung betrifft die Praxis, kommunale Mittel ohne Verwaltungsverfahren vom Konto der Stadt einzuziehen. Die Pflicht zur Zahlung der Solidaritätsabgabe bleibt hingegen bestehen. Bürgermeister Gergely Karácsony spricht von einem Sieg für die kommunale Selbstverwaltung, die Regierung weist jeden finanziellen Anspruch der Hauptstadt zurück.

Formaler Erfolg ohne finanzielle Folgen

Die Kúria bestätigte am 6. November das Urteil des Fővárosi Törvényszék, das bestimmte Abbuchungen des Magyar Államkincstár aus Budapests Konten aufgehoben hatte. In der amtlichen Mitteilung heißt es:

„Den mit dem Revisionsantrag angefochtenen Teil – mit teilweiser Änderung der Begründung – hat sie in Kraft belassen.“

Damit bleibt das erstinstanzliche Urteil im Kern aufrecht. Die Richter erklärten die sogenannten „forgótőke-visszapótlás tárgyú levelek“ und die darauf basierenden „beszedési megbízások“ – informelle Schreiben und Abbuchungen zur Sicherung der Solidaritätsabgabe – für rechtswidrig.

Die Entscheidung stützt sich auf das Haushaltsgesetz 2023, das Budapest verpflichtet, rund 57,8 Milliarden Forint als Solidaritätsabgabe zu leisten. Über Rückzahlungen oder Zinsen äußerte sich das Gericht nicht: „Das rechtskräftige Urteil hat nicht über die Zahlung von Zinsen verfügt.“

Karácsony kündigt Entschädigungsklage an

Bürgermeister Gergely Karácsony erklärte nach der Urteilsverkündung:

„Die Budapester Stadtverwaltung erhebt eine Entschädigungsklage, um 28 Milliarden Forint, die unrechtmäßig als Solidaritätsbeitrag eingezogen wurden, zuzüglich Zinsen zurückzufordern, nachdem das Oberste Gericht zugunsten der Hauptstadt entschieden hat.“

Nach seiner Darstellung hat das Staatsschatzamt 2023 unrechtmäßig 28 Milliarden Forint vom laufenden Stadtkonto abgezogen. Diese Mittel will die Stadt nun einklagen. Karácsony sprach von einer „signifikanten Entscheidung“ und einem Präzedenzfall, der klargestellt habe, dass die Solidaritätsabgabe keine Steuer sei und nicht ohne Verwaltungsverfahren vollzogen werden dürfe.

Regierung: „Nur ein technischer Punkt“

Die Regierung weist diese Deutung zurück. Staatssekretär Csaba Latorcai erklärte auf Facebook:
„Das Oberste Gericht hat über eine technische Frage entschieden. Es ging dabei weder darum, ob Solidaritätsbeiträge zu zahlen sind, noch darum, ob die Hauptstadt viel oder wenig zahlt.“

Er warf dem Bürgermeister vor, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen:

„Gergely Karácsony sagt, wie in so vielen anderen Fragen, nicht die Wahrheit, sondern verdreht und desinformiert die Öffentlichkeit.“

Auch das Magyar Államkincstár erklärte, das Urteil stelle die Rechtmäßigkeit der Solidaritätsabgabe nicht infrage. Rückzahlungen oder Entschädigungen seien vom Gericht nicht angeordnet worden.

Interessant ist, dass die Regierung bewusst ein Strohmannargument erzeugt: in der Aussendung von Karácsony wird nicht behauptet, dass die Solidaritätsabgabe rechtswidrig sei, sondern nahegelegt dass eine automatische Abbuchung dieser nicht rechtens sei, was nun von der Kurie bestätigt wurde.

Politischer Streit über juristische Grenzen hinaus


Die Solidaritätsabgabe, 2020 eingeführt, verpflichtet finanzstarke Kommunen zu Beiträgen in den Staatshaushalt. Kritiker sehen darin ein Instrument, oppositionell geführte Städte finanziell auszutrocknen. Für Budapest bedeutet das jährliche Zahlungen im zweistelligen Milliardenbereich, einen zentraler Konfliktpunkt zwischen Stadt und Regierung.

Das Urteil der Kúria verändert daran wenig. Es begrenzt staatliche Vollzugsbefugnisse, bestätigt aber die grundsätzliche Zahlungspflicht. Der Streit zwischen Regierung und Hauptstadt bleibt politisch offen und wird, wie Karácsonys angekündigte Klage zeigt, in die nächste juristische Runde getragen.

Sollten die eingeklagten Mittel nicht kurzfristig verfügbar werden, droht der Hauptstadt eine akute Finanzierungskrise. Nach Angaben von Bürgermeister Karácsony ist der Kreditrahmen der Stadt bis Jahresende ausgeschöpft, wodurch ab Januar 2026 keine Gehälter mehr ausbezahlt werden könnten. Gewerkschaften, die rund 27.000 Beschäftigte der städtischen Betriebe vertreten, haben bereits angekündigt, bei einem Ausbleiben von Gehaltszahlungen Versammlungen und Arbeitsniederlegungen zu organisieren. Ihr Vorsitzender Gábor Naszályi erklärte, man werde „keine unbezahlte Arbeit mehr leisten, wenn die Regierung die Finanzierung der Hauptstadt weiter blockiert“. Das Urteil der Kúria schafft dafür keinen unmittelbaren Ausweg – es lässt den politischen und finanziellen Stillstand lediglich in neuer Form bestehen.

Quellen: kuria-birosag.hu,, MTI.hu
Photo: MTI/Zoltán Kocsis

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