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Paks II: EuGH Gerichtsurteil entlastet Ungarn

Der EuGH kippt eine Kommissionsentscheidung zur Beihilfe für das Atomprojekt Paks II – Ungarns Regierung feiert einen juristischen „Sieg“. Doch in Wahrheit wirft das Urteil unangenehme Fragen über Abhängigkeiten, Intransparenz und geopolitische Allianzen auf.

Budapest/Bruxelles/Wien. Mit spürbarer Genugtuung verkündeten Ungarns Außenminister Péter Szijjártó und EU-Minister János Bóka am Donnerstag die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Causa Paks II. Das Gericht habe, so die Regierung, „keinerlei Verstöße“ festgestellt, der Weiterbau könne „sogar beschleunigt“ werden. Tatsächlich aber hat der EuGH kein direktes grünes Licht für das Projekt gegeben sondern es wurde die Entscheidung der EU-Kommission von 2017 aufgehoben, weil sie die umstrittene Auftragsvergabe -ohne Ausschreibung – an ein russisches Staatsunternehmen (Nishny Novgorod Engineering / Rosatom) nicht hinreichend geprüft habe. Ein Etappensieg der ungarischen Regierung.

Was hat der EuGH konkret entschieden?

Konkret ging es um die Genehmigung der Beihilfe durch die Europäische Kommission im Jahr 2017. Diese hatte Ungarn erlaubt, für das Kernkraftwerk Paks II staatliche Unterstützung zu leisten obwohl der milliardenschwere Bauauftrag ohne öffentliche Ausschreibung direkt an den russischen Konzern Rosatom beziehungsweise dessen Tochter in Nischni Nowgorod ging. Österreich hatte diese Entscheidung beklagt und bekam nun Recht: Der EuGH stellte fest, dass die Kommission ihre Prüfungspflicht verletzt habe – insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Vergaberecht.

Anders als in der Darstellung Budapests hat der EuGH also keine Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Vergabe selbst getroffen: er verlangt lediglich, dass die Kommission diese nun nachholt. Der Paks-II-Vertrag bleibt damit weiterhin juristisch in der Schwebe.

Relikt mit hohem geopolitischen Preis

Die zentrale Frage bleibt bestehen: Warum hält die ungarische Regierung an einem Projekt fest, das politisch, wirtschaftlich und strategisch ein Relikt aus der Zeit vor dem Russischen Angriffskrieg ist?

Paks II ist kein gewöhnliches Infrastrukturprojekt. Es ist ein Symbol einer energiepolitischen Strategie, die mit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 ihren politischen Bankrott erlebte. Während sich unisone alle EU-Staaten seither um Diversifizierung bemühen, verankert sich Budapest weiter im russischen Kosmos.

Der Vertrag über den Bau und die Finanzierung der neuen Reaktorblöcke durch Russland wurde auf 30 Jahre unter Verschluss gestellt. Die genauen Kreditbedingungen, mögliche Preisgleitklauseln, Vertragsstrafen oder politische Hebelwirkungen bleiben im Dunkeln. Dass es sich dabei um ein öffentlich finanziertes Projekt von nationaler Tragweite handelt, scheint die Regierung nicht zu stören – oder bewusst auszublenden. Kritiker monieren Korruptionsverdacht.

Energiepolitik als Machtinstrument

Minister Szijjártó meint, dass Paks II ein „Garant nationaler Energiesicherheit“ sei. In Wahrheit aber handelt es sich um eine fragwürdige langfristiger Abhängigkeit von einem Krieg führenden Staat dessen Energiepolitik ein gigantisches geopolitischen Machtinstrument ist.

Die Zahlen sprechen für sich: Noch immer stammen rund 80 % des Erdgases und rund zwei Drittel des Öls, das in Ungarn verbraucht wird, direkt oder indirekt aus Russland. In einer Phase wachsender internationaler Isolation orientiert sich Budapest damit an einen Energie- und Technologiezulieferer, der ein Sicherheitsrisiko für ganz Europa ist–diese Sicht herrscht nicht nur in Brüssel, sondern auch in Wien, Prag und Bukarest.

Der Preis der Illoyalität

Ungarns Beharren auf dem Paks-II-Projekt reiht sich ein in eine Serie politischer Entscheidungen, die Europas Bemühungen zur Eindämmung russischen Einflusses untergraben. Die Blockade von Hilfszahlungen an die Ukraine, das Ausbremsen neuer Sanktionspakete und die aktive Unterstützung russischer Energieprojekte zeichnen das Bild eines EU-Mitgliedsstaates, der sich als Störfaktor mit Sonderstatus inszeniert.

Dass Budapest nun aus einem formalen Verfahrensmangel der EU-Kommission Kapital schlägt, ohne die inhaltliche Brisanz des Urteils zu benennen, ist typisch für eine Regierung, deren strategische Kommunikation auf Verzerrung durch Auslassung setzt.

Keine juristische, sondern eine politische Entscheidung

Ob Paks II gebaut wird, ist trotz aller Beteuerungen keineswegs sicher. Die wirtschaftliche Lage Ungarns ist angespannt, die Finanzierung durch Russland politisch riskant, der Widerstand in Brüssel groß. Dass sich die Regierung auf ein Jahrzehnte umfassendes Nuklearprojekt einlässt, während zugleich Milliarden an EU-Fördermitteln eingefroren sind, verweist auf ein energiepolitisches Vabanquespiel mit offenem Ausgang.

Während die Regierungsaussendungen über MTI von „Rechtssicherheit“ und „beschleunigtem Bau“ sprechen, bleibt die eigentlich relevante Frage unbeantwortet: Wer trägt das Risiko – finanziell, politisch, strategisch – wenn sich die „Energiesicherheit“ als trojanisches Pferd russischer Interessen entpuppt?

Quellen: MTI.hu
Titelbild: Paks Atomkraftwer, Barna Rovács (Rovibroni)

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