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Ungarn schöpft EU-Mittel aus – doch kaum etwas kommt bei den Menschen an

Trotz hoher Abrufquote bleibt der Nutzen für die Bevölkerung gering – Korruption und Intransparenz untergraben Vertrauen in EU-Förderungen

Budapest. Laut Angaben der Regierung hat Ungarn im EU-Finanzrahmen 2014-2020 beeindruckende 98,9 Prozent der verfügbaren Mittel abgerufen und liegt damit europaweit auf Platz drei. Minister Tibor Navracsics sprach gar von einem möglichen Spitzenplatz. Hinter dieser vermeidlichen Erfolgsmeldung verbirgt sich eine systemische Schieflage: Ungarn ist Nettoempfänger europäischer Gelder, doch bei der Bevölkerung bleibt davon wenig spürbar.

22 Milliarden Euro flossen zwischen 2014 und 2020 aus Brüssel nach Budapest, gefördert wurden laut Regierungsangaben über 52.000 Projekte. Doch während die offiziellen Zahlen einen administrativen Erfolg suggerieren, weisen unabhängige Analysen immer wieder auf massive Ineffizienzen, überteuerte Bauvorhaben, fehlende Ausschreibungen und Vetternwirtschaft hin. Der EU-Rechnungshof, Transparency International und ungarische Antikorruptionsinitiativen warnen seit Jahren, dass ein erheblicher Teil der Mittel an politische Netzwerke um Fidesz-nahe Unternehmen umgeleitet wird.

Die Europäische Kommission reagierte darauf 2022 mit der teilweisen Suspendierung von Fördergeldern. Aktuell sind 55 Prozent der Mittel aus drei großen Programmen (TOP Plusz, IKOP, KEHOP) eingefroren. Als Begründung wurde unter anderem der überdurchschnittlich hohe Anteil von Ausschreibungen mit nur einem Anbieter genannt – ein Indikator für systematische Wettbewerbsverzerrung. Zwar hat die Regierung inzwischen Maßnahmen zugesagt, doch eine unabhängige Überprüfung der tatsächlichen Umsetzung fehlt bislang.

Minister Navracsics verwies in seiner Darstellung auf „174 Bezirke mit Projektlisten“ und Programme wie „Wettbewerbsfähige Bezirke“, in denen jeweils rund eine halbe Million Euro für kommunale Entwicklung bereitstehen. Angesichts der Milliardenbeträge, die aus EU-Töpfen bereitgestellt werden, wirkt diese Zahl symbolisch. Viele ungarische Kommunen, insbesondere in strukturschwachen Regionen, kämpfen weiterhin mit maroder Infrastruktur, unterfinanzierten Schulen und einem abwandernden Gesundheitspersonal.

Ungarn bleibt damit ein Musterbeispiel für das Dilemma der europäischen Kohäsionspolitik: Ein Land, das mehr Mittel empfängt, als es einzahlt, nutzt die Programme formal aus – doch eine wirkliche Verbesserung für die Bevölkerung bleibt aus. Stattdessen verfestigt sich der Eindruck, dass EU-Gelder in einem korruptionsanfälligen System versickern, das demokratische Grundsätze aushöhlt.

Quellen: MTI, ungarnheute.hu
Photo: KI-Generiert

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