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(c) Pester Lloyd / 18 - 2011  POLITIK 06.05.2011

 

Der Furchtlose

Orbán zu Besuch in Deutschland

Der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orbán, hält sich am 5. und 6. Mai zu einem offiziellen Arbeitsbesuch in Deutschland auf. Der Schwerpunkt der Treffen liegt auf wirtschaftlichen Aspekten, es wird eine Art Werbetour für den Standort. Kritische Stimmen werden weggebügelt, womöglich unliebsame Fragen deutscher Medien tauchten auf einer Pressekonferenz gar nicht erst auf. Ansonsten fraß man Kreide.

So weit das Auge blickt... Orbán und Merkel auf der Terrasse des Kanzleramtes. Das Parlament lässt man links liegen, klar, wo sonst..., Foto: Bundespresseamt

Orbán und seine Delegation sind am Freitag bei einem Business Forum in Frankfurt eingeladen, wo rund 50 Wirtschaftsvertreter und Entscheider der Hochfinanz geladen wurden, schon am Donnerstag gab es ein ähnliches Treffen vor 300 (potentiellen) Investoren in Berlin. Beide Foren sind von der Deutschen Bank initiiert. Dort wird Orbán u.a. zur Krisensteuer Stellung beziehen können, zur finanziellen Stabilität des Schuldendienstes und zum Abbau des strukturellen Defizits referieren sowie die sonstigen Vorzüge einer Investition in Ungarn darstellen. Mit ihm kamen die Minister für Nationale Entwicklung, Tamás Fellegi und Minister für Nationalwirtschaft (inkl. Finanzen), György Matolcsy.

Nach einem Besuch im Berliner Olympiastadion, wo er sich mit dem Trainer sowie dem Legionär beim Hertha BSC Pál Dárdai über die Förderung des Fußballnachwuchses hier wie dort austauschte, traf sich Orbán am Donnerstag zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel. Im Anschluss gaben die beiden eine gemeinsame Pressekonferenz.

Hertha BSC ist wieder in die erste Liga aufgestiegen. Kein Wunder, bei der “10”! Orbán ist selbst übrigens begeisterter Freizeit-Kicker, ignoriert aber regelmäßig das Abseits, rechts Pál Dárdai, ungarischer Nationalspieler und “Fremdenlegionär” bei Hertha.

Merkel betonte, dass die Beziehungen zu Ungarn sehr gut seien, man ja eine "sehr breite Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen habe", was von Orbán auch "außerordentlich anerkannt" werde. Hinsichtlich der EU-Agenden unterstützt Deutschland die ungarischen Bemühungen um einen baldigen Beitritt von Kroatien, "Wir haben festgestellt, dass es da deutliche Fortschritte gibt", so Merkel. Auf das ungarische Ziel vom Abschluss der Verhandlungen bis Ende Juni, ließ sich Merkel aber nicht festnageln, man werde "mit Spannung die Einschätzung der Kommission verfolgen." und sehen "inwieweit das ausreicht, um eine Beitrittsempfehlung zu geben." Gleiches gilt beim auf Druck Deutschlands und Frankreich verhinderten termingerechten Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengenraum, auch hier wartet Merkel auf den Kommissionsbericht. Für "die Bemühungen in den entscheidenen Punkten Fortschritte zu erzielen" dankte Merkel Ungarn.

Orbán dankte seinerseits für die deutsche Unterstützung der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft und freute sich, dass "ich jetzt in der Hauptstadt einer großen europäischen Nation über europäische Fragen verhandeln durfte." Er lobte die deutschen Investoren in seinem Land vor allem dafür, dass sie unter den Ländern, die ihre in Ungarn erwirtschafteten Profite wieder im Lande investieren, "bei weitem auf Platz 1" stehen. Die Deutschen seien in Ungarn sehr anerkannt, weil die Unternehmen stets darauf bedacht waren, "die ungarischen Arbeitnehmer zu achten.", was für uns in Ungarn mindestens so wichtig ist wie die Investitionen selbst.

Naja, die Berliner und ihre Küche: rechts unten zweimal Instant-Kartoffelpüree der Diskont-Marke A&P und eine rauchende Pfanne. Allzu lang wollte man den Gast wohl nicht da behalten. Ob sich Orbán hier Anregeungen für die Nachwuchsförderung holen sollte?

Orbán verwies wieder darauf, dass er sein Land "vor einem Jahr vom Rande des Abgrunds zurückreißen musste". Das sei ihm gelungen, schießlich brauche das Land keine Nothilfen von EU, IWF mehr, sondern könne sich allein am internationalen Finanzmarkt refinanzieren. (Gerade hatte Ungarn dort erfolgreich eine EUR-Staatsanleihe über 1 Mrd. begeben, zu den niedrigsten Zinsaufschlägen seit der Finanzkrise.) Der Premier skizzierte dann notwendige "Reorganisationsmaßnahmen", er will aus einer Wohlfahrts- eine Arbeitsgesellschaft bauen. Dazu sei ein "lebhaftes Zwiegespräch zwischen Politikern und Wählern nötig."

Er ging auf Nummer sicher und beließ es bei einem Stück trocken Brot... Die Banker werden sicher etwas schmackhafteres springen lassen...

Nach einer formalen Frage im Stile eines Hofberichterstatters vom ungarischen Staatsfernsehen, erklärte er einem Reuterskollegen den "erwarteten Durchbruch" durch das neue Flat-Tax-Steuersystem (16% auf jedes Einkommen) seines Landes mit FDP-Worten (Steuererklärung muss auf einen Bierdeckel passen, hätte er in Bayern gelernt - leichte Heiterkeit bei Merkel). Sein neues Steuersystem solle keine Belastung, sondern ein Antrieb für die Revitalisierung der ungarischen Wirtschaft wird. Er sieht die Wirtschaftsdaten von Ungarn "Vertrauen erweckend." Über die Krisensondersteuern fiel kein Wort, natürlich auch nicht darüber, dass niedrige Einkommensschichten durch die Flat tax derzeit draufzahlen.

Was halten Sie von innerer Einmischung?

Dann kam von einem Journalisten des niederländischen Telegraaf die Frage: wie findet es Herr Orbán, dass sich Deutschland und andere in der europäischen Union bezüglich Mediengesetz und Verfassung in ungarische Angelegenheiten einmischen. Die Antwort: "Die EU kann in die inneren Angelegenheiten Ungarns nicht eingreifen, weil Ungarn ein EU-Mitglied ist." Alles sei vertraglich festgelegt, "daher fürchtet sich Ungarn vor keiner Institution der Europäischen Union." Etwas anderes ist die Parteienwelt in Europa. "Ich betrachte es als eine Natürlichkeit, dass die Parteienstreitigkeiten, die in Ungarn laufen, auch auf der europäischen Ebene wiederholt werden." "Wir sind eine nationale Mitte-Rechts-Regierung und konservativ, zu Hause haben wir Diskussionen mit den Sozialisten und den Liberalen, auf der europäischen Ebene läuft das genauso." "Von der deutschen Seite habe ich keine solche Regung vernehmen können, die wir als Einmischung hätten interpretiern müssen. - Es hätte mich auch überrascht." Alles nur Parteienstreit also, für weitere Fragen war keine Zeit, die drei erlaubten wurden von nichtdeutschen Medien gestellt.

Kein Wort zum Rassismus, von keinem

Orbán hatte offenbar vor der Anreise kiloweise Kreide gefressen, wenn man bedenkt, was für Töne er im Inland in Richtung ausländischer Kritiker schickt, da wird Brüssel auch schon einmal als "Neues Moskau" hingestellt und die Kritiker seines Tuns samt und sonders als ungarnfressende Sozialisten eingestuft. Dass bei den offiziellen Terminen Nachfragen zu Themen wie Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, Mediengesetz oder Rassismus (ein kurzes, gemeinsames Statement zu Gyöngyöspata hielten wir für eine Pflicht) etc. eine größere Rolle spielen war ohnehin nicht zu erwarten, die CDU/CSU hat sich seit langem für eine uneingeschränkte Unterstützung der Schwesterpartei entschieden und sich - ebenso wie das Fidesz daheim - auf die Diffamierung von Kritikern verlegt.

Orbán sollte sich besser überlegen, wo und wie er sich hinstellt. Schließlich fand im Berliner Olympiastadion schon die eine oder andere Veranstaltung statt, die linkslinke Sudelblätter wie “Die Welt” wieder zu eigenartigen Parallellen verleiten könnte..., Fotos: MEH

 

Dafür ist einmal mehr die mediale Aufmerksamkeit gewährleistet, die sich seit dem Mediengesetz häufiger mit den Entwicklungen in Ungarn beschäftigt. Leider tun die Medien in Deutschland das oft nicht kompetent genug und fokussieren sich auf einprägsame Schlagzeilen und mitunter peinliche Vereinfachungen als auf wirkliche Hintergründe, womit man es der ungarischen Regierungsseite leicht macht von einer übertriebenen Kampagne gegen das Land zu sprechen, auch wenn die Kritik im Kern trifft. Der Herausgeber der Welt, in dessen Zeitung Ungarn mehrmals als "Führerstaat" bezeichnet wurde, hat einen offenen und etwas verschwurbelten Brief an Orbán gerichtet, dieser sagte - nach Angaben der Zeitung zu - in Form eines "Essays" darauf antworten zu wollen. Der nicht gerade stichhaltigen Vorlage nach zu urteilen, dürfte es Orbán nicht schwerfallen, "die Welt" an die Wand zu schreiben.

red

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