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(c) Pester Lloyd / 48 - 2012   RUMÄNIEN 26.11.2012

 

Rumäniens Katalanen?

Ungarische Separatisten wollen territoriale Autonomie von Rumänien

Die "Ungarische Siebenbürger Volkspartei" will am kommenden Samstag im Rahmen einer großen öffentlichen Manifestation - wieder einmal - die "territoriale Unabhängigkeit" des Székler Landes von Rumänien erklären. Hinter der Aktion steckt natürlich der Wahlkampf, aber auch längerfristiges Kalkül der Fidesz-Zentrale in Budapest. Im Ergebnis könnte die ungarische Minderheit in Rumänien ihre direkte Vertretung im Parlament ganz verlieren.

Es sei an der Zeit "den massiven öffentlichen Willen, der nicht länger ignoriert werden kann", zu demonstrieren. Nur durch eine territoriale Autonomie "könne man die Székler-Frage lösen". Der Aufmarsch der Separatisten soll am Samstag im idyllisch gelegenen Sfantu Gheorghe, ung. Sepsiszentgyörgy, stattfinden. Tibor Toró, Parteichef der "Volkspartei" erklärte das im staatlichen, ungarischen Fernsehen M1 am Freitag. Dieses, oft als mythisches Kernland des Magyarentums idealisierte Stück Land, gelegen im südlichen Teil von Transsylvanien / Siebenbürgen in Zentralrumänien, solle nicht weiter von der "Gnade der politischen Entwicklungen in Bukarest abhängen", all die in den letzten 22 Jahren getroffenen Absprachen hätten nie zu einer "Garantie über die Autonomie" geführt.

“Széklerland den Széklern...”

Links zu weiteren Beiträgen zu: Székler, Siebenbürgen, Ungarn-Rumänien, RMDSZ, Ponta etc.

 

Toro kündigte eine "Welle von Demonstrationen" an, damit die "rumänischen Politiker die Sache ernst nehmen." Neben Minderheitenrechten und kultureller Autonomie, die man weitgehend inne hat, verlangen die Radikalen vor allem Steuerautonomie, eine eigene, autarke Verwaltung, ein eigenes Parlament mit gesetzgebenden Rechten, sogar eine eigene Polizei. Ab und an taucht der Vergleich mit den Forderungen der Katalanen gegenüber Spanien auf, der aber in gewisser Weise hinkt, denn weder verfügt Siebenbürgen über eine Wirtschaftsmetropole wie Barcelona, noch die Katalanen über ein "Kernland" außerhalb von Spanien, das ihre nationalen Interessen derart promoten würde.

Deklarationen und Manifestationen dieser Art sind ein stetig wiederkehrendes Ritual des radikaleren Teils der politischen Vertreter der rund 1,1 Millionen ethnischen Ungarn in Rumänien. Die "Siebenbürger Volkspartei", initiiert vom rumänischen Europaabgeordneten László Tökés und massiv von Orbáns Partei Fidesz-KDNP - auch aus ungarischen Steuermitteln - unterstützt, stellt sich mit ihrem offenen Separatismus gegen die Kompromisslinie, die die größere RMDSZ (UDMR) (Demokratische Partei der Rumänienungarn) als jahrelanges Regierungsmitglied gefahren ist, wie viele meinen, im nicht minder nationalistischen Mainstream Rumäniens, ziemlich erfolgreich.

Wie schon in der Slowakei mit der SMK bzw. Most-Híd, spaltet Orbán die Vertretungen der ethnischen Ungarn durch Radikalisierung, auch wenn er damit den Verlust von Minderheitenrechten, ethnische Konflikte und entsprechend nationalistische Antworten der Mehrheitsparteien herausfordert. Die ungarische Regierung hat gerade erst wieder verkünden lassen, dass man ein Engagement von ethnischen Ungarn in "multiethnischen Parteien" als "Weg in die Assimilisation" anlehnt und nur völkisch exklusive Organisationen als Partner und zielführend anerkennt. Vizpermier und - selbsternannter - oberster Nationenschützer Zsolt Semjén, der gerade wegen der Aissimilsation von fremden Werken in seine Doktorarbeit unter Beschuss steht http://www.pesterlloyd.net/html/1247semjenplagiat.html, sprach hinsichtlich des Engagements von Auslandsungarn in ethnisch offenen Parteien sogar von der "Vorhölle der Assimilsation"...

Das Kalkül: schlechtere Minderheitenbedingungen und politische Radikalisierung führen seinem Lager mehr Wähler zu, denn Auslandsungarn können ab 2014, so sie im Besitz des für sie vereinfacht vergebenen ungarischen Passes sind, ihre Stimme bei ungarischen Wahlen abgeben, auch wenn sie dort nie gelebt haben. Kurz gesagt: es geht Orbán gar nicht um "alle Ungarn im Karpatenbecken", sondern um den Aufbau seiner Wählerbasis außerhalb der Landesgrenzen, einer stillen oder auch mal lauten Reserve, die einige Hunderttausend Menschen umfassen und damit Wahlen entscheiden kann. Für Aufsehen sorgte auch die direkte Einmischung Orbáns beim kürzlich abgehaltenen Referendum zur Amtsenthebung des Präsidenten.

Die Initiative der Széklerpartei zum jetzigen Zeitpunkt ist zwar in erster Linie als Wahlkampfaktion zu verstehen,  am 9. Dezember finden in Rumänien Parlamentswahlen statt, aber in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv: Zum Einen stärkt sie nationalistische Strömungen auf der rumänischen Seite und fördert ethnische Konflikte und macht auch der gemäßigteren RMDSZ schwer zu schaffen. Weniger, weil die Separatisten ihnen sehr viele Wähler abjagen könnten, sondern vor allem, da sie von den Rumänen-Parteien als "Ungarn" in einen Topf mit den Radikalen geworfen werden, in Rechtfertigungszwang gerät und so auch gemäßigtere Wähler und ehemalige Bündnispartner lieber einen Bogen um die RMDSZ machen.

Als "käuflicher" Mehrheitsbeschaffer des ehemaligen, konservativen Premier Boc dargestellt, der zuletzt nur noch mit RMDSZ-Unterstützung überhaupt seine Mehrheit halten konnte, werden sie ohnehin vom Wähler abgestraft werden, womit das Basescu-Lager geschwächt, und ausgerechnet das Lager des "Sozialisten" Ponta indirekt gestärkt wird.

Bei den Wahlen 2008 errechte die RMDSZ landesweit 6,2%, sollte sie den Einzug ins Parlament nicht schaffen, dürften die über eine Million ethnischen Ungarn in Rumänien, die vor einem Jahr noch in der Regierung saßen und den Kulturminister stellten, erstmals seit der Wende die direkte parlamentarische Vertretung verlieren, denn der Székler-Partei wird der Sprung über das Quorum nicht zugetraut, schon bei den Kommunalwahlen im Juni erhielten sie eine ziemliche Klatsche von den Wählern, ein Zeichen, dass sich doch nicht alle Rumänienungarn vor den Orbán-Tökés-Karren spannen lassen wollen.

r.l. / red.

 

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