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(c) Pester Lloyd / 02 - 2017    POLITIK     13.01.2017

Konzentrationslager in der EU: Ungarn wird alle Flüchtlinge internieren

Orbáns Kabinettschef János Lázár verkündete die automatische Internierung aller Asylsuchenden und "Eindringlinge" in Lager am Donnerstag auf der ersten Regierungspressekonferenz des Jahres. Sein Chef, der Premier, vereidigte zur gleichen Zeit einige Hundert neue "Grenzjäger" und erklärte wiederum sämtliche Flüchtlinge als Gewaltverbrecher und Terroristen. Die KZ´s kehren in die EU ein. Wird diese etwas dagegen unternehmen?

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Die Zustände in Ungarn 2015 werden 2017 “legalisiert”.

Es klingt vielleicht für manchen noch erschreckend, ist aber in der ungarischen Realität nur noch ein ganz kleiner Schritt gewesen - von den Maßnahmen im Rahmen des  "Einwanderungsnotstandes" mit seinen Schnellgerichten, Entrechtungen und der Deklassierung von Flüchtlingen zu Menschen dritter Klasse - bis hin zur heutigen Ankündigung der automatischen Internierung aller Flüchtlinge, die ungarisches Territorium betreten, auch den drei Dutzend, die man täglich offiziell einreisen lässt. Die Idee ist nicht neu, schon im April 2015 wünschte man sich Arbeitslager. Es wäre also Zeit gewesen für die EU, dagegen zu steuern.

Hintergründe:
Flüchtlingsbilanz 2016: Ungarn bleibt im "Einwanderungsnotstand"
Internierung, Kriminalisierung, Willkür: Was bedeutet Ungarns neues Grenzregime? (2015)

 

"Wir werden es nicht weiter zulassen, dass sich Eindringlinge im Land herumtreiben, während ihre Verfahren laufen", sagte Minister Lázár und kündigte an, dass mit einer kommenden Gesetzesänderung alle Asylantragsteller, aber auch alle aufgegriffenen "Illegalen" in Lagern interniert werden. Ausgenommen sind natürlich all jene, die in einem 8km-Streifen von der Grenze aufgegriffen werden, diese werden sofort abgeschoben - auch das gegen internationales Recht. Lázár begründete den Schritt mit "gewachsener Terrorgefahr" und nahm direkt Bezug auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Auch wolle man Kontakte zur ungarischen Bevölkerung verhindern. Na klar, die könnten ja dedämonisierend wirken...

Bisher können die Asylantragsteller die vorhandenen Lager verlassen (willkürliches Wegsperren auch von Kindern gab es jedoch schon vorher), offiziell für Behördengänge oder zur Ausübung ihrer Religion oder zum Besuch von Informations- und Hilfsaktionen von NGO´s, hier voran MigSzol oder Artemisszió. Diese bieten u.a. Sprachkurse an, Beschäftigungsgruppen für Kinder, Rechtsberatung und Gesundheitsdienstleistungen. Alles Dinge, die der Staat unterlässt. Der Zugang für NGO´s in die Lage ist gesperrt. Arbeiten dürfen Asylbewerber sowieso nicht. Dass viele Flüchtlinge den "Ausgang" nutzen, um sich gen Westen aus dem Staub zu machen, stört die ungarischen Behörden nicht, - ja es ist gewollt, die unmenschlichen Bedingungen, z.B. im Zeltlager Körmend kommen nicht von Ungefähr.

Nun kann man über das Verhalten von und den Umgang mit Asylantragstellern Verschiedenes berichten und fordern, Fakt ist jedoch, dass das Einsperren, also der Freiheitsentzug von Menschen, allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, hier Flüchtlinge bzw. Schutzsuchende, diskriminierend und somit rechtswidrig ist. Ungarn verstößt somit wieder einmal gegen EU-Recht, die Flüchtlingskonvention, das UN-Flüchtlingsstatut und Rechtsprechungen der EU-Gerichte in Straßburg. Die alle stellen klar, dass Freiheitsentzug immer nur aufgrund individueller Vorfälle oder Gefährdung verhängt werden kann, nicht alleine aus dem Fakt heraus, das ein Antrag nach geltendem Recht gestellt wird.

“Nirgendwo ist nationaler Suizid ein Menschenrecht”

Zu diesen Aspekten passt Orbáns martialische Rhetorik, die er am heutigen Donnerstag vor 532 neuen "Hilfsgrenzjägern" absetzte, zeitgleich mit der Ankündigung der Masseninternierungen. Bei der Vereidigung der hastig ausgebildeten Truppen sagte er mit einem geradezu absurden Pathos, dass es ihr "Auftrag ist, Ungarn zu beschützen und die Sicherheit aller Ungarn und ganz Europas zu garantieren, wie es das Schicksal unserer Nation seit Jahrhunderten ist."

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Das "Ende der illegalen Einwanderung bleibt eine Sache von großer nationaler Wichtigkeit, denn die Flüchtlinge, die versuchen, nach Europa zu kommen, wollen nicht die europäischen Gesetze und Traditionen respektieren, sondern lieber ihre eigenen Traditionen der Gewalt, der Kriminalität und des Terrors fortsetzen." Es ist das x-te Mal, dass Orbán den Menschen, die in der Mehrzahl vor Terror und Gewalt fliehen, pauschal als Terroristen und Kriminelle diffamiert.

 

Und weiter: "Terrorangriffe, Aufstände, Gewalt, Verbrechen, ethnische und kulturelle Zusammenstöße. All das zeigt uns, dass die, die kommen, nicht unser Leben leben wollen. (...) Wie wollen ihr Leben weiter leben, nur auf europäischem Lebensstandard. Das mag verständlich sein, aber wir können sie nicht nach Europa lassen. Nirgendwo ist nationaler Suizid ein Menschenrecht."

Das letzte Mal, dass Menschen aufgrund der Zuordnung zu einer Gruppe in Lagern konzentriert wurden, das war in den 90er Jahren im Jugoslawien-Krieg. Was damals fassungslos machte, ist heute wieder Realität. Die KZ´s - der Begriff mag überhöht klingen, ist es aber per definitionem nicht, sind zurück in Europa, genauer: in der EU. Was wird sie dagegen unternehmen?

red.



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