Nach einem offenen Schlagabtausch zwischen dem ukrainischen Präsidenten und dem ungarischen Premier eskaliert der Ton. Es verdichten sich bekanne Konfliktlinien – Energie, EU-Erweiterung, Transkarpatien.
Budapest/Kyiv. Es war kein Missverständnis, sondern ein gezielter Affront. In einem Interview mit Euronews warf der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky dem ungarischen Premier Viktor Orbán vor, mit seinem EU-Veto „spezifische Unterstützung“ für den Kreml zu leisten. Orbán reagierte umgehend:
„Ukraine verteidigt Ungarn nicht vor irgendwem oder irgendetwas.“
„Ich denke nicht, dass ich Viktor Orbán etwas anbieten muss“, sagte Zelensky beim EU-Erweiterungsgipfel. „Viktor Orbán sollte etwas für die Ukraine anbieten, die ganz Europa vor Russland schützt. Wir haben von ihm keine Unterstützung bekommen – nicht für unsere Vision, nicht für unser Überleben.“
Er fügte hinzu:
„Wenn Viktor die Ukraine blockiert, unterstützt er Putin – und das ist eine sehr spezifische Form der Unterstützung.“
Seit Umgarn im Juli vergangenen Jahres mit Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft den Beitritt der Ukraine blockiert, gilt Ungarn als blockierte Bremse in Brüssel. Die Regierung beruft sich auf eine „nationale Konsultation“, deren Ergebnis – 95 Prozent gegen den ukrainischen Beitritt – Orbán als „Mandat“ bezeichnet. Die Opposition sieht diese Umfrage als stark manipuliert an.
Orbán wies die Vorwürfe zurück: „Ich muss den Vorschlag zurückweisen, Ungarn schulde der Ukraine irgendetwas. Ukraine verteidigt Ungarn nicht vor irgendwem oder irgendetwas. Unsere Sicherheit wird durch unsere Streitkräfte und durch die NATO garantiert – und die Ukraine ist glücklicherweise kein Mitglied.“
Er verwies auf rund 200 Millionen Euro ungarischer Hilfen und fortgesetzte Energieexporte. Seine Linie bleibt klar: kein EU-Beitritt Kyivs.
„Eine Aufnahme der Ukraine würde den Krieg nach Europa bringen und das y der Ungarn nach Kiew tragen. Ungarn bevorzugt eine strategische Partnerschaft, keine Mitgliedschaft.“
Langwieriger Konflikt
Der Schlagabtausch ist Teil eines andauernden Nachbarschaftskonflikts. Seit Jahren prallen Budapest und Kyiv über Minderheitenrechte, Energieabhängigkeit und Sicherheitsfragen aufeinander. Zuletzt hatte die Ukraine mehrfach russische Ölinfrastruktur attackiert – darunter die Druzhba-Pipeline, die Ungarn direkt versorgt. Nach den Angriffen drohte Budapest mit einem Stromstopp und sprach von einem „empörenden Angriff auf die nationale Souveränität“. Kyiv hielt dagegen, Ungarn trage durch seine Abhängigkeit von russischen Energieimporten selbst zur Finanzierung der Kriegsmaschinerie bei.
Die Eskalation reicht bis zu Spionagevorwürfen und mutmaßlichen Drohnenüberflügen im Zuge der Adaptive Hussar Militärübung. Außenminister Péter Szijjártó agiert dabei als rhetorischer Rammbock – mal als Verteidiger ungarischer Minderheiten, mal als Ankläger eines „anti-magyarischen“ Kyiv.
Orbáns strategische Doppelrolle
Orbán nutzt den Konflikt auch innenpolitisch. Während sich die Opposition um Péter Magyar formiert, inszeniert sich der Premier als Hüter nationaler Eigenständigkeit. Auf Kundgebungen spricht er von einem „Krieg, der nicht unser Krieg ist“ und warnt, Brüssel wolle „unsere Söhne und unser Geld“ für die Ukraine.
Zelensky formuliert die Gegenposition höflich, aber klar:
„Wenn es Regeln gibt und wir sie erfüllen, erwarten wir Respekt – auch vom ungarischen Premier. Das ist eine Frage des Respekts gegenüber der EU, deren Mitglied Ungarn ist.“
Keine Aussicht auf diplomatische Vesserung
Zwischen beiden Ländern herrscht ein diplomatischer Frost mit sicherheitspolitischen Folgen. Ungarn blockiert die europäische Integration, während ungarische Minderheiten in Transkarpatien zwischen Loyalitäten zerrieben werden. Kyiv beschreibt Budapests Haltung als „moralische Dekadenz„.
Die bevorstehende Begegnung Orbáns mit dem US-Präsidenten – offiziell zu Energiefragen – könnte auch eine Gelegenheit bieten, die Beziehung zu Kiew neu zu justieren. Doch die Tonlage beider Seiten lässt wenig Hoffnung auf Entspannung.
Solange Budapest seine Haltung mit „nationaler Sicherheit“ begründet und Kiew Orbán als „Putins Stellvertreter in Europa“ wahrnimmt, bleibt die Grenze zwischen beiden Ländern geographisch sowie politisch eine Trennlinie zwischen zwei Welten.
Quellen: Euronews, Pester Lloyd Archiv
Foto: Viktor Orbán, Wolodymyr Selenskyj – Wikipedia, CC-ASA 4.0




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