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(c) Pester Lloyd / 28 - 2009 KULTUR 09.07.2009
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Tropfen auf edle Steine

Schloss Esterháza in Ungarn steht doch nicht zum Verkauf,
dafür traurig in der Landschaft

In der Atmosphäre des allgemeinen Sparzwanges steht offenbar so ziemlich alles zur Disposition. Parlamentspräsidentin Katalin Szili fühlte sich nun genötigt, dafür einzutreten, dass Schloss Esterháza im nordwestungarischen Fertöd in staatlichem Besitz verbleibt. Verwirrung hatte eine nur für den internen Gebrauch bestimmte Liste ausgelöst, die plötzlich, aber nicht unerwartet durch die ungarischen Medien geisterte. Darauf standen zehn Schmuckstücke ehemaliger ungarischer Magnaten, darunter auch Esterháza.

Szili meinte nun bei einem Besuch vor Ort, dass es - umgekehrt - eine Liste von Kulturgütern geben sollte, die auf alle Fälle unveräußerlich sein müssten. Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn privates Kapital sich an der Sanierung beteilige und dann auch an der Vermarktung verdiene. Das Eigentumsrecht müsse aber in Händen der Republik verbleiben. Das hat aber bisher so noch nicht funktioniert, seit Jahren wird an Esterháza mehr schlecht als recht herumgeschraubt, ein wirklich stimmiges Nutzungskonzept und ein ausreichendes Budget fehlten bisher, ganz ersichtlich auch der Wille zu Kooperationen oder Joint ventures. Derzeit ist wieder einmal ein Teilstück in Arbeit, in dass gut 5 Mio. EUR investiert werden, ein Tropfen auf heiße, edle Steine.

Zum Verkauf steht das "Ungarische Versailles" also noch nicht, dafür steht es weiter traurig in der Landschaft. Oberflächlich ist es ganz ordentlich in Schuss, im Mittelteil ist ein Museum eingerichtet, der Spiegelsaal wird für Kammerkonzerte genutzt, der Park ist begehbar, einzig: nichts ist einzigartig, in diesem "schönsten Schloss Ungarns". Alle Versuche Touristen anzuziehen, machen den Eindruck der Halbherzigkeit. Die Seitentrakte werden zudem als Gartenbauschule und als kaufmännisches Institut benutzt, die Besucher stehen daher vor vielen verschlossenen Türen.

Gegen die noch fehlende Erstürmung durch die üblichen Touristenbanden, die in fünf Minuten alles abfotografieren und für die ein Schlossrundgang ein "magic Event" darstellt, ist fast nichts einzuwenden, aber es gibt auch eine Art sanften Kulturtourismus, der eine ganzheitliche Erschließung von Geschichte und Athmosphäre ermöglicht und dabei eine sehr lange Wertschöpfungskette bilden kann. Stichworte: Barockfestival mit Kinderführungen, Picknick unterm Sternenzelt, Gaukler, Kammeroper, Tafeln bei den Esterházys, Bauern- und Kunsthandwerksmärkte im Hof etc. etc. Ein Blick über die Grenze und Leute mit Bereitschaft, ausgestattet mit ausreichend Budget sind das Minimum, dass benötigt wird.

Schloss Esterháza, gebaut zwischen 1720 und 1766, gehörte bis zur Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg der Fürstenfamilie Esterházy, deren ruhmreichste Tat die Anstellung und Förderung des Komponisten Joseph Haydn war. Für ihre kaisertreuen Kriegsdienste erlangte die Fürstenfamilie über die Jahrhunderte Stück um Stück ein schier unfassbares Vermögen aus Liegenschaften, Wäldern, Feldern, Schlössern und Burgen.

Fürsten mit beschränkter Haftung

Allein das Vermögen der in der Schweiz, bzw. Liechtenstein oder Luxemburg angesiedelten Familienstiftungen der Esterházys wird heute auf 1,3 Milliarden EUR geschätzt. In Österreich, vornehmlich im Burgenland, beschäftigen sich die Esterházy Betriebe GmbH vor allem mit Land- und Forstwirtschaft, Weinbau und Gastronomie sowie mit Betrieb, Erhaltung und Ausbau der touristischen Magneten Schloss Esterházy in Eisenstadt sowie der Burg Forchtenstein, dem Stammsitz der Familie. Dabei gibt es regemäßig medienwirksame Reibungen mit der burgenländischen Landesregierung um Geld und Einfluss. Neuerdings betätigt man sich auch landwirtschaftlich in Osteuropa, bald sollen touristische Aktivitäten in Ungarn hinzu kommen.

Familienoberhaupt ist die 89jährige Fürstin Melinda Estzerházy, den Ungarn ist sie als Prima Ballerina an der Budapester Staatsoper in den 40er Jahren bekannt. Die Geschäfte führt allerdings ihr Neffe Stefan Ottrubay, der in den Neunziger Jahren u.a. in Budapest bei der Hypo Bank arbeitete und dessen Arbeitsweise und Gebaren mit umtriebig freundlich beschrieben sind. Seine Frau betreibt ein Weingut in Etyek. Zwischen Ottrubay und anderen Nebenzweigen der Familie gibt es regelmäßig Zoff, um den "guten Ruf" und das "liebe Geld". Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy gehört übrigens zur gräflichen Linie und hat mit diesen Leuten nichts zu tun.

Fraglos wären die Esterházy Betriebe bzw. eine der Stiftungen erster und geeignetster Ansprechpartner für eine Komplettsanierung und eine strahlende Zukunft voll Sinnenlust und Kultur des Juwels von Fertöd. Gerade jetzt, in Zeiten der Sparwut ist absehbar, dass der Staat solche Aufgaben nicht einmal langfristig schultern können wird. Doch solange sich Ungarn unter Investoren lediglich Spender vorstellt, werden diese dankend abwinken. Arbeit und Investitionsmöglichkeiten haben die Esterházys und andere, bei aller Nostalgie, woanders genug.

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