(c) Pester Lloyd / 01 - 2011
NACHRICHTEN 03.01.2011
Ungarisches Mediengesetz im Wortlaut, in Kraft und in Aktion
Staatspräsident Schmitt hat trotz der breiten Kritik im In- wie Ausland das
Mediengesetz noch rechtzeitig vor dem Jahreswechsel unterschrieben, so dass es per 1. Januar in Kraft treten konnte. Am Montag protestierte die führende Tageszeitung des
Landes Népszabadság, die der links-liberalen Medienszene zuzurechnen ist mit einer eigenen Titelseite gegen das Gesetz, ebenso die linke Tageszeitung Népszava. Beide
verwiesen in mehreren Sprachen auf die Gefährdung der Pressefreiheit durch restriktive, weit interpretierbare Paragraphen und die Parteilichkeit des Medienrates,
dem die Macht für weitreichende finanzielle Bestrafungen bei Verstößen gegen die diversen Regelungen eingeräumt wurde.
Mittlerweile liegt auch der vom Präsidenten unterzeichnete Gesetzestext vor, über 100 Änderungsanträge der Regierungspartei in den letzten Momenten vor der Abstimmung
sorgten für einige Verwirrung, so dass nicht einmal die Fidesz-Parlamentarier wissen konnten, worüber sie wirklich abstimmten. Aus einem 171seitigen Entwurf wurde
letztlich ein 108seitiger Gesetzestext, der aber nach einer ersten Prüfung alle von uns kritisierten "Gummiparagraphen" und Anmaßungen weiterhin enthält (siehe hier und darin enthaltene Links sowie unseren Kommentar) sowie noch einige Überraschungen,
die noch für viel Diskussion sorgen werden. Für Ende der Woche hat Justizminister Navracsics der EU die Übersendung einer englischen Version zugesagt, unter diesem Link können Sie zunächst die ungarische Fassung im Wortlaut herunterladen. Hier gibt es jetzt auch die englische Version. Es handelt sich dabei um das Exemplar von der Homepage der Medienaufsicht NMHH.
Wie gemeldet, wurde die neue Medienbehörde noch vor Inkraftreten des Gesetzes
bereits aktiv, gegen den alternativen Radiosender Tílós Rádió, bei dem man sich gegen die Aussstrahlung eines zotigen, gewaltverherrlichenden Textes des Rappers Ice-T im
September des Vorjahres wandte. Mehr dazu hier. Die tagtäglichen Gewaltverherrlichungen und Hetztiraden der ultrarechten Blogs, Zeitungen und
Radiosender blieben bisher aber verschont. Ein anderer Radiosender wurde abgemahnt, weil er sich nicht an die neu vorgeschriebenen Quoten beim Verhältnis zwischen
Musikanteil und Nachrichtensendungen hielt. Zwei Journalisten des Staatsfunks wurden vom Dienst suspendiert, weil sie eine Schweigeminute aus Protest gegen das Gesetz
einlegen wollten, im Morgenmagazin des Fernsehen wurde ein Gast hinausgeworfen und die Sendung unterbrochen, weil er gegen das Mediengesetz protestieren wollte.
Am Dienstag wurde auch der Sender RTL Klub mit einem Verfahren belegt. Mehr.
Die Regierung besteht weiter darauf, dass das Gesetz rechtsstatlich ist und Kritiker
lediglich sozialistisch verblendet seien. Mit der Weiterleitung des Gesetzes zur Prüfung an das Verfassungsericht hätte Ungarn angesichts der vielen offenen Fragen zumindest
den Anschein von Rechtsstaatlichkeit wahren können.
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