(c) Pester Lloyd / 01 - 2011
POLITIK 07.01.2011
Orbán will Europa beleben
EU-Ratspräsidentschaft Ungarns offiziell gestartet - Update 14:30 Uhr
Am Donnerstag übernahm Ungarn offiziell den Staffelstab der EU-Ratspräsidentschaft von Belgien. Premier Orbán will die ungarische
Wiederbelebung 2011 auf Europa übertragen, was ihm ja irgendwie schon gelungen ist. Bei seinem Vorgänger, dem belgischen Premier konnte man
zwischen den Zeilen leise Hinweise hören, was man von Ungarn im nächsten halben Jahr wirklich erwartet. Derweil geht der Schlagabtausch ums Mediengesetz
weiter. Ein Staatssekretär gab im Deutschlandfunk den Politclown.
Fotos: Miniszterelnöki Hivatal
TIPP:
Der Blickpunkt im Mittagsecho beim WDR - Verpatzter Start: Ungarn übernimmt EU Ratsvorsitz (mit einem Telefoninterview mit dem Pester Lloyd) zum Podcast
Bei einer feierlichen Sitzung im Ungarischen Parlament in Budapest übernahm das Land
am Donnerstagabend offiziell die EU-Ratspräsidentschaft von Belgien. Der belgische Ministerpräsident Yves Leterme überreichte seinem Amtskollegen Viktor Orbán
symbolisch den Staffelstab sowie die Fahne der Präsidentschaft. Leterme lobte die "zunehmende Dynamik", die Europa während der belgischen Ratspräsidentschaft erfasst
habe, woran Ungarn nun anknüpfen könne.
"Im Laufe der Geschichte hat Ungarn wiederholt
seine Hingabe an die Freiheit demonstriert. Das gibt uns Grund zum Optimismus" sagte Leterme, was man als leise Anspielung auf die die Medienfreiheit einschränkenden neuen Gesetze im
Lande werten kann. Weiter sagte der belgische Premier, dass die "die EU nicht nur einen gemeinsamen Markt repräsentiert", sondern auch "den Einsatz für Frieden, Freiheit und
Demokratie". "Die Institutionen der EU dienen dazu, diese Werte in die Praxis umzusetzen." sagte er an einem Rednerpult, das mit den Slogan "strong Europe"
beschriftet war.
Orbán erwiderte bei der Zeremonie, bei der die gesamte
Staatsspitze versammelt war, dass "die Ungarn 2011 als Jahr der Wiederbelebung Ungarns ansehen", dabei könne Ungarns Präsidentschaft zu einer "Belebung Europas" beitragen.
Am Freitag trafen sich
EU-Kommissionspräsident Barroso und Orbán zu einer gemeinsamen Sitzung von Kommission und Regierung und auch zu einem Vieraugengespräch. Dabei, so hatte es
Barroso bereits am Mittwoch angekündigt, sollte das Thema Mediengesetz "einer der
Hauptgesprächspunkte sein".
Barros erkennt ein “Versprechen” Orbáns - dieser taktiert weiter
Barroso lobte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittag die "qualifizierte
Arbeit zur Vorbereitung der Präsidentschaft" durch Ungarn, bei der die "globalen Herausforderungen" im Zentrum stehen, denen man nun mit "Entschlossenheit
begegnen" könne. Er wiederholte den Leitslogan vom "starken Europa".
Viktor Orbán bestätigte seine Äußerungen vom Vortag, dass man Änderungswünschen der EU-Kommission entgegenkommen werde, wenn eine geeignete Prüfung Verstöße
gegen europäische Normen hervorbringe. Er sei aber zuversichtlich, dass ein entsprechendes Gutachten keine diskriminierenden Punkte ausfindig machen wird. Die
Medien in Ungarn sollen in ihrer Arbeit jedenfalls nicht beeinträchtigt werden, meinte Orbán weiter, obwohl es bereits Beispiele gibt, die genau eine solche Beeinträchtigung
belegen. Seine Medienbehörde habe keine Befugnisse, die jene anderer Medienbehörden in der EU überschreiten.
Kommissionspräsident Barroso interpretierte diese Äußerungen so, dass Ungarn zur
Änderung am Mediengesetz bereit wäre. Orbán habe ihm "versprochen", das Gesetz anzupassen und dass es die EU-Grundwerte, zu denen der Pluralismus in den Medien
gehört, hochhalte. Barroso wolle Zweifel daran ausräumen, dass Ungarn ein demokratisches, rechtsstaatliches Land ist. Die Kommission werde bei Vorlage einer
eigenen vollständigen Übersetzung des Textes "unverzüglich mit einer vollständig objektiven Prüfung" beginnen. Gestern wurde bekannt, dass die übersandte
Übersetzung nicht vollständig war.
> Mehr zur Ratspräsidentschaft Ungarns
Opposition fordert Sondersitzung zum Mediengesetz. Regierung: "unnötig"
Derweil fordert eine der Oppositionsparteien im Parlament, die alternativ-liberale LMP
für den 17. Januar eine Sondersitzung des Parlamentes zum Mediengesetz und begründeten dies mit dem "vielstimmigen Protest", der sich dagegen erhoben hat. Vor
allem will man über den Bestrafungs- und Sanktionierungsmechanismus im Gesetz, die Befugnisse des parteilich einseitig besetzten Medienrates und die möglichen Eingriffe in
das Tagesgeschäft von Journalisten sprechen. Es könne nicht sein, dass es allein die Möglichkeit gibt, aufgrund "von Gummiparapgraphen politisch motivierte Strafen" zu
verhängen. Der Sprecher des Ministerpräsidenten kanzelte das Begehren der LMP mit den Worten ab, dass "eine außerordentliche Sitzung dazu unnötig ist." Um eine
Sondersitzung des Parlamentes einzuberufen sind, ein Fünftel der Abgeordentenstimmen notwendig, also 77 von 386. LMP und die MSZP kommen
zusammen jedoch nur auf 73, bräuchten also auch die Unterstützung der Jobbik.
SPD-Abgeordneter spricht von Medienpolizei - MSZP wil Gesetz gerichtlich anullieren lassen
Die rechtsextreme Partei Jobbik lehnte das Begehren der LMP jedoch mit der
Begründung ab, dass eine solche Sitzung verfrüht komme. Es gäbe noch keinen Anlass für Änderungen am Gesetz. (Aus Jobbik-Sicht ist das richtig, bisher traf es nämlich bei
den Schritten der Medienbehörde nur Medien aus dem sog. linksliberalen Spektrum, die täglich offen hetztenden rechtsradikalen Zeitungen, Portale und Sender wurden noch
nicht belangt.) Außerdem verwies man auf die anstehenden Konsultationen der Regierung mit der EU. Der Parteichef der "sozialistischen" MSZP, Attila Mesterházy, traf
sich derweil mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer, der anmerkte, dass die "demokratische gewählte Partei Fidesz einige demokratische Grundsätze annulliert"
habe. Nach den "hunderten Berichten", die in den letzten Tagen über "die Eingriffe in die Pressefreiheit" veröffentlicht wurden, muss man festhalten, dass die neue
Medienbehörde nichts weniger als eine Medienpolizei ist. Schäfer bemängelte auch die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichtes. Die MSZP kündigte inzwischen
an, vor Gericht die "Anullierung" des Gesetzes durchsetzen zu wollen.
Dornröschen ist o.k., Rigoletto eher nicht - ungarischer Staatssekretär zum Mediengesetz
Wer mal zur Abwechslung etwas wirklich Witziges zum Thema Mediengesetz lesen bzw.
hören will, dem sei ein Gespräch des Deutschlandfunk mit dem Staatssekretär im ungarischen Außenministerium Gergely Pröhle empfohlen. Pröhle, früher Botschafter
u.a. in der Schweiz und in Deutschland, äußert sich da so locker wie sachfern zum neuen Mediengesetz und liefert ein besonders eindringliches Bild der Absurdität des
Mediengesetzes ab, in dem er die politische Dimension des Mediengesetzes völlig ausblendet. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1359482/
> Mehr zu den ersten Tagen des Mediengesetzes
> Protestdemo am 14.1. und Resolutionen
TIPP:
Der Blickpunkt im Mittagsecho beim WDR - Verpatzter Start: Ungarn übernimmt EU Ratsvorsitz (mit einem Telefoniterview mit dem Pester Lloyd) zum Podcast
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