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(c) Pester Lloyd / 31 - 2011  FEUILLETON 04.08.2011

 

Ein Garten für den Rosenvater

Die Türbe des Gül Baba in Budapest, der nördlichste Wallfahrtsort des Islam

Im zweiten Bezirk von Budapest, ein wenig abseits vom Moszkva tér, der heute Széll Kálmán Platz heißt, zwischen Gassen, Treppchen und Bäumen befindet sich ein versteckter Rosengarten. Als Monument gedenkt er dem Derwisch Gül Baba, der als Missionar nach Ungarn kam, als Rosenvater bekannt wurde und bis heute daran erinnert, dass die Osmanen nicht nur aus Eroberung und Unterdrückung nach Europa brachten.

Die Legende besagt, dass Gül Babas Grab nach seiner Beerdigung nach Rosen duftete, sie verlieh dem Stadtteil schon bald die Bezeichnung „Rosenhügel“. Im zweiten Bezirk auf der Buda-Seite sind kleine Gassen und Treppen charakteristisch und markieren den Beginn des Rosenhügel-Viertels, begrünt und alpin und als Wohnviertel sehr beliebt bei Prominenten und Politikern. Viele Alleen und kleinere Wege eignen sich hervorragend zu Spaziergängen auch über Gül Babas Türbe hinaus, die frische Luft ist ein zusätzlicher Anreiz.

Ein 500 Jahre altes Denkmal - auch gegen heutige Intoleranz

Die Türbe Gül Babas ist - neben den Bädern - einer der wichtigsten Zeitzeugen der 150jährigen osmanischen Herrschaft in Budapest, weist sie nämlich auf eine Epoche, die nicht ausschließlich durch Eroberung, Krieg und Unterdrückung gekennzeichnet war, sondern auch kulturelle Spuren hinterließ, die heute zwar nicht betont werden, aber vorhanden sind, von den Wissenschaften bis hin zur Sprache. Nicht umsonst findet sich das türkische Wort für Bildung: egitim in der ungarischen Universität: egyetem wieder. Gül Baba, der Dichter und Mystiker des Jahrhunderts steht für diesen anderen Teil der osmanischen Besetzungszeit und ein wenig auch für das verklärende Bild der Romantik gegenüber dem Orient.

Jedenfalls ist sein Grab mitten im historischen Buda ein Mementum zur instrumentalisierten und undifferenzierenden Islamophobie der neuzeitlichen Angstmacher, die leugnen, dass auch der Islam, - wie jede Religion - mit der Intelligenz und dem Ethos seiner Protagonisten ziviliserte und kulturbefruchtende Ausformungen aufweist, so wie umgekehrt jede Religion bei Missbrauch oder unkontrolliertem Selbstlauf zum Medium der Barbarei werden kann.

In diesem Zusammenhang ist auch die Ausrufung eines nationalen Gedenktages in Erinnerung an eine “Türkenschlacht” ein peinliches Zeugnis von Geschichtsverleugnung und aktueller Dummheit, die differenzierte Geschichtsbetrachtung in Ungarn wird so ein weiteres Mal auf den Altar des Opfermythos´ geworfen und der Staat begibt sich auf jenes Niveau, das wir in Mitteleuropa “den” Türken und Arabern immer so überlegen mimend vorhalten. Die sichtbaren humanistischen Defizite im Orient berechtigen den Westen nicht zur Überheblichkeit, dafür hat er selbst zu viel Dreck am Stecken.

Immer noch eine viel besuchte Pilgerstätte

Zurück zur Anlage. Die Türbe (ein muslimisches Grab) des Rosenvaters ist achteckig, von außen eher unscheinbar, nur ein goldener Halbmond schimmert auf der hölzernen Kuppel des schlichten, weißen Bauwerkes. Um 1545 entstanden, beherbergt die Grabstätte des Rosenvaters den hölzernen Sarg mit dem unter der Erde vergrabenen Leichnam, einige Gebetsteppiche, Wandschmuck unter anderem in Form von bunten Kacheln mit Koranversen und einen Schrein und wird noch heute von der türkischen Regierung erhalten. Es ist die nördlichste Pilgerstätte des Islam.

Auch der Garten um die Türbe herum lohnt einen genaueren Blick. Vor seinem Eingang thront eine Bronzeskulptur des Derwisches , im Garten hat man freie Sicht auf Margarethenbrücke und Parlament, ein mit Mosaikkacheln besetzter Brunnen zaubert orientalisches Flair und Rosenstöcke wurden zum Gedenken an “ihren“ Vater gepflanzt. Die ruhige Atmosphäre lädt zum Verweilen ein, ein Café nebenan zu Tee und türkischem Kaffee.

Die Geschichte der Türbe

Nach Einfall und Eroberung des Budaer Gebietes durch die Habsburger, die so zu den nächsten - wenn auch christlichen - Besatzern wurden, unbeschädigt, verwandelten sie die Türbe in eine jesuitische Kapelle (die Osmanen ließen die meisten Kirchen Kirchen bleiben) und nannten sie „Sankt Josephs Kapelle“. Nach Auflösung des Jesuitenordens in der Stadt blieb das Grab ein Wallfahrtsort und aufgrund der vielen Pilger aus dem osmanischen Reich wurde später der Architekt Janós Wagner beauftragt, das Grab des Gül Baba zu erhalten. 1885 wurde die Türbe erstmalig restauriert und nach der Fertigstellung 1914 zum nationalen Denkmal erklärt. Damals umgaben noch Weingärten die Grabstätte. Erneute Renovierungsarbeiten erfolgten um 1960 und 1990. Heute ist das Mausoleum des Gül Baba Eigentum der Türkei.

Der Rosenvater

Ende des 15. Jahrhunderts geboren nahm der türkische Derwisch Caner bald auf Einladung des Sultans Süleyman an vielen Feldzügen teil, wurde zu einer Hauptfigur der osmanischen Armee im Westen, und bereiste auf diese Art 1531 zum ersten Mal Ungarn. In Buda gründete er einen Derwisch-Konvent, seine Aufgabe war es, Ungarn zu missionieren. Erzählungen zufolge soll er an seinem Turban stets eine Rose getragen haben, was ihm schon bald den Spitznamen Gül Baba (deutsch: Vater der Rosen) einbrachte. Darüber hinaus habe er die Rose in Ungarn erst eingeführt, doch dieser Teil der Sage ist umstritten, laut einigen Quellen existierte die Rose bereits in Ungarn und könnte in dem Zusammenhang metaphorisch für den Islam stehen, den er nach Ungarn gebracht hat.

Nicht nur von Sultan und sogar vom Volk geehrt, selbst der berühmte Märchenautor Hans Christian Andersen widmete ihm einige Zeilen in seinem Buch „A Poet's Bazaar“. Er betont die Hartnäckigkeit des Derwisches, zu Fuß über Berge und die kahle Wüste zu fremden Leuten, zu Christen gegangen zu sein. Obwohl seine Missionierung beendet sei, bestehe eine Erinnerung daran bis heute. Schon bald avancierte Gül Baba außerdem zum Poeten und unter dem Synonym „Misali“ schrieb er zahlreiche Gedichte die später den ungarischen Komponisten Jenö Húszka zu seiner Operette „Gül Baba“ inspirierten.

Sein Tod scheidet noch heute die Geister, einige behaupten er sei bei der Eroberung Budas gefallen, eine andere, viel wahrscheinlichere, Theorie besagt, er verstarb während des Siegesgebetes in der Matthiaskirche. Der Sultan machte Gül Baba zum Schutzheiligen der Stadt Buda. Er wohnte sogar seiner Beerdigung auf dem Rosenhügel bei und der Legende nach war der Sultan selbst einer der Sargträger.

Sarah Schäfer / ms.

Grabstätte des Gül Baba und Rosengarten
1023 - Budapest, Mecset utca 14. (Eingang vom Türbe tér 1)
 Telefon: +36 (1) 326-0062

 

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