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(c) Pester Lloyd / 32 - 2012     KOSOVO 06.08.2012

 

Mission gescheitert

EULEX verlässt 2014 das Kosovo - zu früh und zu spät

Die EULEX-Mission der Europäischen Union im Kosovo soll am 15. Juni 2014 beendet werden. Seit über einem Jahrzehnt bemühen sich über 3.000 ausländische Richter, Polizisten, Justiz- und andere Verwaltungsbeamte dem Land als "Berater" Rechtsstaatlichkeit einzuimpfen. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd: Korrupte Richter, kriminelle Sonderermittler und eine Regierungspartei, die knietief im Blut watet, belegen: Mission gescheitert. - Doch eine Lösung für die gesamte Region muss her, sonst gibt es wieder Krieg.

Gestatten, Eulex, wir bringen Ihnen den Rechtsstaat... - Je nach Sichtweise sind die EULEX-Truppen und -beamten Schergen Belgrads oder Diener der Albaner. Sie blieben immer Fremdkörper.

Bereits 2010 und 2012 sollte die sich auf ein UN-Mandat berufende Mission beendet werden. Seit der staatlichen Unabhängigkeit des Kosovo 2008 ist die Anwesenheit fremder Aufseher völkerrechtlich immer schwerer erklärbar gewesen, zumal die EU schon für September 2012 die "vollständige Souverenität" für das von 89 Staaten, darunter 22 der EU anerkannte Kosovo, angekündigt hatte.

 

Die Verlängerungen waren aber offenbar notwendig geworden, weil die EU bei einem Abzug nicht gewährleisten konnte, dass wenigstens Grundzüge rechtsstaatlichen Handelns gewährleistet würden und somit alles auf dem Spiel stand, was man über ein Jahrzehnt aufzubauen versuchte. Auch ist offensichtlich, dass das interne Ringen zwischen und unter albanisch- und serbisch-kosovoarischen Kräften um die "Macht", erst recht im serbisch dominierten Nordkosovo, dann erst richtig erskalieren könnte, wo es doch schon heute dort drunter und drüber geht.

Dabei hat die EULEX-Präsenz das Dilemma in gewisser Weise selbst herbeigeschafft, blieb es doch durch seine "Beraterfunktion" letaiv machtlos. Dabei überzog man das eigentliche Mandat häufig und intervenierte bei Urteilen oder schrägen Amtshandlungen, wo es unvermeidlich erschien, ohne jedoch allgemeinen und speziellen Missbrauch verhindern zu können, da der Zugang in die politisch beeinflusste Sphäre versperrt blieb.

Das lag unter anderem daran, dass man, anders als beispielsweie in Bosnien, keine Vetorechte bei politischer Ämterbesetzung und bei der Gesetzgebung sowie der Bestallung hat. In Bosnien kann die UN zur Not sogar den bzw. die Präsidenten absetzen, im Kosovo nicht. Das bedeutet, welches Personal mit welcher Motivation in die Behörden strömt, lag nicht im Einflussbereich der EULEX, die sich zudem noch der EU-Protektion des rechtsstaatlich mehr als zweifelhaften Regierungschefs und ehemaligen UCK-Kommandeurs Hashim Thaçi zu beugen hatte. Es ist unmöglich einen Rechtsstaat zu kreiren, wenn der Regierungschef womöglich ein Verbrecher ist.

Richter bedienen sich unter den Augen der EULEX

Haarsträubende und sehr aktuelle Vorgänge zeigen, in welchem Zustand sich der kosovarische Rechtsstaat befindet und es scheint schwer vorstellbar, dass sich diese Situation binnen knapp zwei Jahren substantiell bessern lässt:

Am 1. August zeigte die EULEX den früheren Präsidenten des Hauptstädtischen Gerichtes in Pristina, Nuhi Uka und sieben andere Richter wegen des Verdachts der Korruption an. Sie werden beschuldigt, Millionen von Euro bei der "Privatisierung" öffentlicher Liegenschaften abgezweigt und Rechtsbeugung begangen zu haben. Sechs der Richter werden der albanischen, zwei der serbischen "Reichshälfte" des Kosovo zugeordnet und es ist festzuhalten, dass die vorgeworfenen Taten alle in die EULEX-Zeit fallen, also unter den Augen vermeintlicher internationaler Beaufsichtigung stattfanden.

Die zentrale Korruptionsstaatsanwaltschaft des Kosovo hat die Ermittlungen übernommen, insgesamt wurden zehn Personen verhaftet, neben den Richtern auch Rechtsanwälte, darunter der Schweigersohn von Ex-Richter Uka sowie ein Manager eines staatlichen Unternehmens. In nicht weniger als 15 Fällen sprachen Richter einem Unternehmen die Eigentumsrechte an von einem staatlichen Unternehmen gepachteten Ländereien zu, die danach veräußert wurden. Die Gewinne teilte man "gerecht" auf.

Was geschehen wird, wenn die EULEX-Richter bis 2014 abziehen, lassen die aktuellen Berichte erahnen.

Korruptionsvorwürfe gegen Antikorruptionseinheit

Doch sogar den Sonderstaatsanwälten, übrigens eine Idee der EULEX, kann man nicht trauen. Ebenfalls dieser Tage wurde der für die westkosovoaraische Stadt Peja zuständige Antikorruptionsermittler, Nazmi Mustafi zusammen mit drei Kollegen durch die EULEX angezeigt, wegen des Verdachts der Korruption, des Amtsmissbrauches und im Falle Mustafis auch noch des illegalen Waffenbesitzes. Hochrangige Polizisten der Antikrruptions Task Force sollen Dokumente gefälscht und der Korruption Verdächtige erpresst haben.

Anzeige gegen aktuellen Vizepremier

EU und Eulex brachten dieser Tage auch Klage gegen Bujar Bukoshi, den aktuellen Vizepremier des Kosovo ein, er soll als Gesundheitsminister von 2007 bis 2010 für den Staat “nachteilige” Verträge abgeschlossen haben. Das Ausmaß auch hier Millionen von Euro, zehn weitere Topbeamte stehen mit in der Anzeige.

Geheimbericht spricht von "Geplanter Mordserie" an Politikern

Ein weiterer Bericht der EULEX greift die Mordserie an vielen führenden Politikern der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) nach Ende des Kosovo-Krieges auf. Bis hinein in die 2000er Jahre fielen Dutzende ihrer Politiker Mordanschlägen zum Opfer. Ein "Geheimbericht", der jedoch - zumindest in Teilen mehreren Medien in Serbien, im Kosovo und Kroatien vorliegen soll, spricht von einer "organisierten Strategie" der heute regierenden Demokratischen Partei des Kosovo, PDK, zum physischen Ausschalten politischer Kontrahenten. Höhepunkt dessen war im übrigen der Bombenanschlag 2005 an Ibrahim Rugova, Mitbegründer der LDK, bis zu seinem Tode 2006 Präsident des Landes und Symbolfigur für den Versuch einer friedlichen Erringung der Unabhängigkeit.

EULEX muss EU-Staatsräson vor Ort ausbaden

Die PDK ist übrigens die Partei des Ministerpräsidenten Hashim Thaçi (Foto), der bereits mit weitreichenden Vorwürfen zu Kriegsverbrechen - auch aus dem Westen - belegt wurde, der aber von der EU immer wieder und immer noch gestützt wurde und wird, wohl, weil er im Krieg auf der Seite der NATO stand und - unter der Hand - weil man neuen Krieg fürchtet, sollte Thaçi abgelöst, gar bestraft werden. Es ist nicht der Mann, der friedlich in Oppsoition geht, dazu steht für ihn und seinen Clan viel zu viel auf dem Spiel. Die EULEX steht damit im Dilemma, die Politräson der "Strategen" in Brüssel vor Ort ausbaden zu müssen, was unter anderem auch bedeutet, mutmaßliche Kriegsverbrecher als Kooperationspartner zu akzeptieren.

Bericht rüttelt an Feindbild Serbien

Am letzten Donnerstag veröffentlichte die Kosovarische Tageszeitung "Koha Ditore" einige Auszüge aus dem vom EULEX-Ermittler Gary Fainsworth verfassten Bericht, der sich mit Hinrichtungen, Mordanschlägen und Überfällen der Jahre 1999 bis 2003 befasst. Der Bericht rüttelt damit nicht wenig an der weit verbreiteten und so schön ins Bild passenden These, dass die Serben die maßgeblichen Akteure bei der Ausschaltung der Unabhängigkeitsbestrebungen Rugovas und Co. waren, vielmehr lassen sie den Schluss zu, dass es "inneralbanische" Machtkämpfe waren und sind, die dem Land mindestens ebenso zusetzen, wie der großserbische Nationalismus. Der EULEX-Bericht listet auch die Opfer und die Tatumstände bei Anschlägen auf mutmaßliche "serbische Kollaborateure" auf, immer wieder fällt auch der Name des früheren Geheimdienstes SHIK, der nach dem Krieg nahtlos in die Partei des heutigen Premiers "integriert" worden sein soll. - Weder EU noch EULEX wollen die durchgesickerten Informationen kommentieren.

EULEX ist gescheitert...

Im September diesen Jahres soll nach Darstellung der EU-Kommission bereits die "Übergangsphase" beginnen, die zum vollständigen Abzug der EULEX-Mitarbeiter bis Juni 2014 führen soll. Die Regierung des Kosovo spricht von einer "Aufhebung der beaufsichtigten Unabhängigkeit" des Landes, wobei man durchaus fragen darf, ob sie sich mehr über die Aufhebung der Beaufsichtigung oder die dann ebenfalls mögliche Aufhebung der Unabhängigkeit der kosovarischen Exekutive und Judikative freut.

Angesichts des Dargestellten scheint der EULEX-Abzug verfrüht, andererseits beweist es auch, dass die Anwesenheit der internationalen Berater keine strukturellen Erfolge erzielte und gescheitert ist. Die Judikative, erst recht die Exekutive, ist heute wie damals weder berechen- noch kontrollierbar und wird nach dem Abzug der EULEX endgültig zur Beute der politischen Machthaber werden. Die Strategie war von Anfang an verfehlt, man kann ohne Demokraten keinen Rechtsstaat bauen und "Besatzer", so gut wie sie es immer meinen mögen, können auch keine Demokratie implementieren. Auch in Bosnien, wo der Einfluss der "Internationalen" viel weitreichender ist, ist das Nation Building weitgehend gescheitert, nur eingestehen wird sich das die EU natürlich nicht.

...und räumt das selbst ein

EULEX selbst ist da wenigstens etwas selbstkritischer. Neben dem üblichen "gute Fortschritte gemacht", das natürlich in keinem Selbstzeugnis fehlen darf, stellt der 2012er Bericht (zumindest indirekt) fest, dass vor allem die Grenzpolizei noch ein Hort der Anarchie darstellt, allein schon, weil es mit diversen Nachbarländern nicht einmal bilaterale Abmachungen des Grenzmanagements gibt. Ziemlich daneben findet EULEX auch die Struktur und die Ausstattung der Bezirks- und Kreisgerichte, die Öffentlichkeit sei von der Gerichtsbarkeit praktisch ausgeschlossen, es gibt kaum Zeugenschutz, zu wenige Richter, Polizei und Staatsanwaltschaft könnten praktisch nicht miteinander kooperieren. Das fragt man sich wohl zu Recht, wozu dann EULEX eigentlich da war...

Nur eine zeitgleiche EU-Aufnahme kann überhaupt eine Lösung bringen

Die Lösung in beiden Fällen, dem des Kosovo und dem Bosniens, kann letztlich nur in einer sehr baldigen EU-Perspektive für die gesamte Region liegen. Es ist im Falle der ehemaligen Kriegsgegner sowie der umstrittenen Gebiete einfach unverantwortlich, durch Einzelverhandlungen wieder Konflitkpotential zu kreieren und durch die Aufnahme nur einer "Konfliktpartei" in die EU, neue Spannungen zu programmieren. Nur die Gleichstellung der Bedingungen, sowohl inhaltlich wie zeitlich, einschließlich der Anerkennung der EU-Regularien, der gegenseitigen Anerkennung der Souveränität sowie der materiellen wie gemeinschaftlichen Schutzperspektive durch die EU für die betroffene Bevölkerung, gibt die Chance auf eine dauerhafte Befriedung unter demokratischen Minimalstandards.

 

Dies zu erreichen, bedarf es aber eines entschlossenen Paradigmenwechsels in der EU, der wiederum dort eine einheitliche Sichtweise voraussetzt. Diese scheint in weiter Ferne und auch die neue Staatsführung in Serbien wird bei der Lösung der anstehenden Probleme im Kosovo sowie in Bosnien weniger hilfreich sein als die vorherige. Alles andere als eine so radikal scheinende wie unumgängliche Lösung führt jedoch zwangsweise in den nächsten Krieg.

red. / ms.

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