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(c) Pester Lloyd / 13 - 2017    BILDUNG / POLITIK      30.03.2017

"Lex CEU: Orbán-Regierung versucht "Soros-Uni" aus Ungarn zu vertreiben

Man müsse aus "Gründen der nationalen Sicherheit" steuern können, wer und warum in Ungarn studiere und was man ihm unterrichte, meint Minister Balog. Mit einer Gesetzesänderung, die die Tätigkeit ausländischer Unis von der Existenz einer bilateralen Regierungsvereinbarung abhängig machen soll, will man der "Soros-Uni" CEU den Garaus machen oder sie an die Kette legen.

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Bereits
im Februar berichteten wir darüber, dass die Orbán-Regierung im Rahmen ihres Feldzuges gegen vom Ausland kofinanzierte NGO´s auch die Aktivitäten der Central European University (CEU) einschränken bzw. ganz unterbinden will. Dem Wunsch folgt nun die Tat:

Im Zentrum der Kampagne gegen "vom Ausland gesteuerte Kräfte" steht der ungarischstämmige Investor, Spekulant und Philantrop George Soros und seine Stiftungen, die auch in Ungarn - so wie seit der Wende auch in anderen osteuropäischen Ländern - zahlreiche NGO´s unterstützen. Das Spektrum reicht von Menschenrechten bis Erneuerbare Energien, auch die CEU geht auf seine Initiative zurück und wird von seinen Stiftungen kofinanziert. Sie gilt als eine der besten Bildungseinrichtungen im gesamten mittelosteuropäischen Raum.

Soros wurde von Orbán - stets auf der Suche nach Feindbildern - als emblematischer Gegner Ungarns erkoren, der sogar einen Putsch gegen ihn geplant haben soll. Dessen NGO´s seien "nicht gewählt", würden aber die "ungarische Politik beeinflussen" und die Interessen "fremder Mächte" vertreten, dabei würden sie bei der Flüchtlingspolitik "mit kriminellen Methoden illegale Einwanderer ermutigen, nach Ungarn zu kommen" und dabei "mit Menschenhändlern und Terroristen kooperieren." Eine
Novelle zur Transparenz der Finanzen dieser Organisationen soll diese künftig an die Kette legen, wenn nicht "ausradieren", wie ein Regierungsoffizieller sich unlängst wünschte. Bei der Debatte gegen Soros schwingt ein latenter Antisemitismus (Hochfinanz der Ostküste etc.) mit.

Das auch für die Hochschulpolitik zuständige Ministerium für Humanressourcen, unter Führung von Minister Balog, legte nun eine Gesetzesänderung vor, mit der man auch der renommierten CEU die Tätigkeit in Ungarn unmöglich machen könnte. Kern des Entwurfes sind Überlegungen zur "nationalen Sicherheit" so Minister Balog, man müsse wissen wer und warum nach Ungarn zum Studium komme. Daher habe man einen Passus erschaffen, wonach Unis und andere höhere Bildungseinrichtungen aus außereuorpäischen Staaten nur auf Grundlage einer "bilateralen Vereinbarung mit der jeweiligen Regierung" in Ungarn tätig werden könnten.

Balog ergänzte, allerdings etwas kryptisch, dass eine "Regierungsuntersuchung" ergeben hätte, dass in der Mehrheit der untersuchten Einrichtungen "Verletzungen und Unregelmäßigkeiten" der Betriebsvorschriften festgestellt worden seien, die es abzustellen gilt. Balog spezifizierte die Aussage jedoch nicht, vielmehr erhärtete er den Verdacht der ideologischen Zielsetzung, in dem er sagte, dass die Tätigkeit solcher Einrichtungen "den Zielen der ungarischen Außenpolitik" zu dienen hätte.

Der für die Hochschulbildung zuständige Staatssekretär László Palkovics verteidigte den Entwurf, der zwar die "Regeln für ausländische Hochschulinstitutionen in Ungarn strenger" machen würde, aber "keinesfalls gegen die CEU gerichtet" sei. Fakt ist jedoch, dass die CEU sowie andere unter das Gesetz fallende Unis in Zukunft nur noch anerkannte Abschlüsse vergeben könnten, wenn das Land, in der die Trägerorganisation ihren Sitz hat, also die USA, mit Ungarn ein entsprechendes Abkommen schließen. Unter Präsident Trump, der selbst Soros auf seiner Abschussliste hat, wird dieses kaum zu Stande kommen.

Zunächst hat die US-Botschaft allerdings ihre Zweifel am Nutzen des neuen Gesetzes angemeldet, was aber nur daran liegen dürfte, dass das Trump-Team deren Personal noch nicht gänzlich gleichgeschaltet hat. David Kostelancik, der Gesandte der US-Botschaft sagte, dass die USA gegen jede Maßnahme seien, die die Unabhängigkeit oder Handlungsfähigkeit der CEU einschränken könnten. Die CEU sei eine "first class"-Einrichtung mit einer großartigen Reputation "in der ganzen Welt".

Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz dem Orbán-Regime dazu dienen wird, die CEU zu schließen oder zu marginalisieren und einer anderen Uni mit entsprechender ideologischer Kompatibilität zu Orbán und Trump die Türen in Budapest zu öffnen. Dabei ist auch zu beachten, dass ausländische Studenten ein wichtiger Devisenbringer für die staatlichen Einrichtungen sind, die CEU auf diesem Feld von der Regierung also nicht nur als ideologischer, sondern auch kommerzieller Konkurrent gesehen wird. Eine weitere Möglichkeit des neuen Gesetzes könnte darin bestehen, dass die Uni zwar weiter agieren kann, die Regierung ihr aber vorschreibt, welche Studenten sie aufnzunehmen hat und welche nicht.

Der Rektor der Uni, Michael Ignatieff, der übrigens Kanadier ist, kündigte an, "die Uni unter keinen Umständen zu schließen", man sehe den Entwurf als "diskriminierenden Angriff gegen die Universität". Ein Video mit der Pressekonferenz (in englischer Sprache) finden
Sie hier auf der Webseite der CEU.

Dieser Kritik schlossen sich die demokratischen Oppositionsparteien an, die die Aktion nicht nur gegen eine Uni, sondern gegen die Freiheit der Bildung und die Zivilgesellschaft im Allgemeinen gerichtet sehen. Die CEU sei "nationales Kapital", ihre Bedrohung ein Fall von "Verrat", so die MSZP. Orbán sei "ständig auf der Suche nach neuen Feinden, um von seinen Sünden abzulenken". Die Sozialisten erinnern daran, dass unter den jährlich hunderten Absolventen der Uni auch zahlreiche Fidesz-Politiker und Abgeordnete seien, ja Orbán selbst einst auf Soros-Rechnung in Oxford studieren durfte.

Die "Demokratische Koalition" von Ex-Premier Gyurcsány nannte den Entwurf "inakzeptabel" und "ideologisch motiviert". Die CEU sei die am höchsten bewertete Bildungseinrichtung, die Ungarn vorweisen könne. Jede "normale Regierung" würde alles dafür tun, dass eine solche Uni so viele Studenten wie möglich aufnehmen könne.

Die linksliberale Partei Együtt sieht eine "fremdenfeindliche Kampagne" am Werk, die "Soros als Teufel an die Wand malt". Mit dem Angriff auf die CEU würde die Regierung einmal mehr ihren mangelenden Respekt vor der ungarischen Hochschullandschaft und der ihr zustehenden Autonomie demonstrieren.

Die grün-nationalliberale LMP bezeichnete den Plan, die "CEU aus Ungarn zu jagen als schandhaften Meilenstein in der Geschichte ungarischer Kultur und Bildung." Die Regierung wolle sich den Einfluss auf den Sektor sichern, was "skandalös" sei. Die Unis seien "Opfer politischer Angriffe".

NGO´s und Bildungsexperten sehen den Gesetzentwurf als verfassungswidrig an, der zudem an die prenazistische Numerus-Clausus-Politik des Horthy-Regimes erinnert, mit der zunächst für einige Bereiche und einige Gruppen (jüdische Ungarn) der Zugang zu bestimmten Bildungswegen limitiert wurde, um den Bereich letztlich völlig zu kontrollieren und ideologisch gleich zu schalten.

Die neuen Bestimmungen würden nach Fidesz-Planung im Februar 2018 in Kraft treten. Wer bis dahin die "neuen Anforderungen nicht erfüllt, dürfen noch das laufende Studienjahr beenden und entsprechende Abschlüsse aushändigen", dürfe aber "keine neuen Studiengänge ab September 2018 anbieten", so Staatssekretär Palkovics. Die Regelungen sollen für alle 28 Hochschuleinrichtungen in Ungarn gelten - beträfen aber logischerweise nur jene, die vom Nicht-EU-Ausland getragen bzw. finanziert werden, da für Einrichtungen aus EU-Ländern europäisches Recht gilt. Die eigenen Unis hat man bereits seit geraumer Zeit
unter ideologischer und administrativer Kontrolle.

red.


46pllogo (Andere)
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