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(c) Pester Lloyd / 34 - 2009  POLITIK 20.08.09
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Präsident auf Abwegen

Ungarn provoziert einmal mehr die Slowakei

Die politische Weitsicht des ungarischen Staatspräsidenten scheint regelmäßig um einen der drei Nationalfeiertage herum auszusetzen und einem ziemlich fiesen Charakterzug zu weichen. Wie sonst als mit bösartigem Kalkül, will man erklären, dass László Sólyom ausgerechnet in der jetzt so angespannten Situation mit dem Nachbarn am Freitag nach Komarno, Slowakei, fährt, um dort der Enthüllung einer Statue des ungarischen Nationalheiligen Stephan beizuwohnen? Den slowakischen Nationalisten liefert er so die Munition frei Haus.

Die Einladung zu der Einweihungsfeier im slowakischen Teil der Doppelstadt Komarno / Komárom kam vom Bürgermeister der Stadt, einem ungarischen Slowaken und Mitglied der gerade erst gegründeten Ungarnpartei Most - Híd, die eigentlich andere Zeichen setzen wollte als es die radikal nationalistische Partei der ungarischen Koalition des Priesters Csáky tat, von der sich Most - Híd (Brücke) abgespalten hatte. Sie setzte z.B. bewusst auch auf die Mitgliedschaft von Slowaken. Das dürfte sich nach der Aktion jetzt erledigt haben.

Stephanskrone aus Salzteig. Höchst zerbrechlich. Ungarns Präsident László Sólyom
auf seiner Stippvisite in Siebenbürgen / Rumänien im März.

Die Kanzlei des slowakischen Staatspräsidenten ließ ausrichten, dass man "nicht erfreut wäre, wenn dieser Privatbesuch eine Demonstration der ungarischen Staatlichkeit würde". Die Slowakei weist darauf hin, dass der 21. August mit dem Tag der Niederschlagung des Prager Frühlings zusammen fällt, "an der auch ungarische Truppen beteiligt gewesen sind." Man hofft, so der Sprecher Außenamtes, dass sich Ungarn bewusst ist, an welchem äußerst sensiblen Datum Sólyom kommt. Robert Fico, der Premier legte heute noch einmal nach, dass man für die Sicherheit des Privatbesuchers nicht garantieren könne. Wenn etwas passiert, dann hat das Sólyom zu verantworten, sagte Fico provokant, wohlwissend, dass er gerade mit so einer Bemerkung Radikale zu Gegenmanifestationen aufstacheln wird.

Bruchlandung in Rumänien

Man kann eigentlich froh sein, dass Ungarn "nur" drei Nationalfeiertage hat, sonst würde es sich das trotzige Präsidialamt binnen eines Jahres gleich mit allen Nachbarn verscherzen. Im März, am 15., zum Gedenken an die 1848er Revolution, war El Presidente am ungarischen Nationalfeiertag in Rumänien unterwegs und musste sich dort ziemlich vorführen lassen. Man verweigerte seinem Flieger die Landeerlaubnis, was eine stundenlange holprige Fahrt quer durch Siebenbürgen erforderte. Diese diplomatische Demütigung verkaufte Sólyom seinen Landsleuten jedoch als eine Art präsidiellen Partisanenkampf gegen fremde Besatzer. Nun sind auch die Rumänen manchmal Nationalisten und daher besonders zickig, wenn man sie provoziert. Bukarest bedankte sich für die Infragestellung der Integrität Siebenbürgens mit dem Rausschmiss einiger Dutzend rumänienungarischer Lokalangestellter, der erst nach langwierigen Verhandlungen wieder halbwegs rückgängig gemacht wurde, nun aber, unter dem Mantel eines Sparprogrammes, bald wieder ein Streitthema werden wird.

Bratislava in der Renaissance, ung. Pozsóny. Ungefähr an dieser Stelle ist auch das Geschichtsbewußtsein der meisten Ungarn haften geblieben.

Dauerclinch mit der Slowakei

Mit der Slowakei ist man eigentlich seit ihrem Bestehen im Dauerclinch. Die letzten Höhepunkte waren ein Wahlkampfauftritt von Orbán und seinem Fidesz an der Grenzbrücke zu Esztergom und sein Gefasel über die Vertretung des gesamten Ungarntums im Karpatenbecken. Danach kam das Sprachengesetz der Slowaken, eine billige Retourkutsche von ausgewiesen antieuropäischer Machart. Es ist jedoch tatsächlich so, dass die Mehrheit der Ungarn aus der Tatsache, dass in einigen südlichen Regionen die ethnischen Ungarn die Bevölkerungsmehrheit stellen, schließen, es handelt sich um Teile des ungarischen Staates, die derzeit unter fremder Verwaltung stehen. Natürlich war das einmal Ungarn, Bratislava / Pozsóny Krönungsstadt. Aber das ist Geschichte und Trianon ist schließlich nicht vom Himmel gefallen, sondern hatte Ursachen, die mindestens bis zum Ausgleich zurück reichen und vor allem auch bei den ungarischen Eliten lagen.

Fakt ist auch, dass die slowakischen Politiker so ziemlich alles dafür tun, dass der Konflikt mit Ungarn am köcheln bleibt, das lenkt nämlich prima vom eigenen innenpolitischen Saustall ab und läßt sich einwandfrei zum Abreagieren der Volksseele einsetzen. Wir sehen also, dass, ob sie wollen oder nicht, die Politiker der Ungarn und der Slowaken Zwillinge sein müssen. Es ist wahr, dass Premier Robert Fico regelmäßig die Ungarn provoziert. Es ist auch wahr, dass die Auswürfe des Ultranationalisten Jan Slota, desse Partei mit jener Ficos koaliert, für jeden denkenden Menschen eine Beleidigung darstellen. Dass aber weder die Präsidenten, noch die Premiers in der Lage sind, wenigstens einen Staatsbesuch zusammen zu bringen, beweist nur deren politische Unreife, wenn man, wie gesagt, kühles Kalkül ausschließen will.

Missbrauch der Völker

Aber die Reaktion der Ungarn darauf ist einmal mehr kindisch und sinnlos, weil man diesen Schreihälsen so nur weiter in die Hände spielt. Erkennen wird das jedoch nur, wer selbst kein Schreihals sein will. Die ungarischen Minderheiten sind weder ein Problem, noch sind sie existentiell gefährdet. Deren Interessen zu vertreten ist nur so lange legitim und natürlich, so lange es wirklich deren Interessen sind. Doch es sind fast immer innenpolitische Überlegungen im Spiel.

Wenn man bedenkt, dass es sich bei den oben geschilderten Auseinandersetzungen um solche zwischen Nachbarn, Verbündeten und EU-Mitgliedern handelt und nicht um Scharmützel zwischen Nord- und Südkorea, sollten alle Beteiligte beschämt zu Boden blicken und sich fragen, ob ihre Politik wirklich so schlecht ist, dass man die Völker immer noch mit nationalistischen Parolen ablenken muss.

Wäre es nicht leichter, auf der einen Seite mehr kulturelle und historische Sensibilität walten und auf der anderen, endlich sinnlose Ansprüche fallen zu lassen, damit Menschlichkeit und Freiheit, so wie sie in der EU grenzenlos lebbar sind, deren Plätze einnehmen könnten?

Die Auseinandersetzungen Ungarns mit seinen Nachbarn, ob Scheingefechte oder wirklicher Konflikte, zeigen, dass weder Ungarn, noch die Nachbarn wirklich verstanden haben, was Europa ist.

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