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(c) Pester Lloyd / 47 - 2011  POLITIK 25.11.2011

 

Big Brother ante portas

Regierung in Ungarn gründet neuen Geheimdienst

Wie die amtliche Nachrichtenagentur MTI meldet, "plant die Regierung die Etablierung eines neuen Geheimdienstes, mit umfassenden Zugriffsrechten auf “sämtliche verfügbaren Datenbanken” des Landes. Kritiker fürchten Datenmissbrauch auch für politische Zwecke, eine Art Fidesz-Stasi. Die Regierung wiegelt natürlich ab: es geht nur um bessere Koordination. Doch etliche Fragen sind offen.

Totale Kontrolle der Gedanken, der Geschichte, aller Informationen durch “den großen Bruder. Das Szenario aus Orson Welles` “1984”.

Die Organisation wird "Nationales Informations- und Verbrechensanalysezentrum", kurz NIBEK heißen und weitreichende Vollmachten bekommen, u.a den direkten, überwiegend elektronischen Zugriff auf alle in Ungarn verfügbaren Datenbanken" heißt es bei MTI. Die Gründung des neuen Geheimdienstes, geplant noch für dieses Jahr, einschließlich der Verankerung in der neuen Verfassung, geht einher mit einem Paket an neuen Gesetzen zur Nationalen Sicherheit und Funktion und Kompetenzen der Polizei.

MTI meldet, diesmal unter Bezugnahme auf die linke Tageszeitung Népszava, weiter: "Das Gesetz wird alle Institutionen, Organisationen, Vereine und Stiftungen, die Datenbanken betreiben, dazu verpflichten, ihre Informationen für die Polizei, den Nationalen Sicherheitsdients (bisheriger Inlandsgeheimdienst, Anm.) und die NIBEK zur Verfügung zu stellen." Angeblich sollen auch alle Flugdaten von/nach Budapest dazu gehören und bis zu fünf Jahre gespeichert werden dürfen.

NIBEK übernimmt u.a. die Aufgaben des bisherigen "Koordinierungszentrums für organisierte Kriminialität", das auf den guten Willen der angefragten Institutionen beim Datenaustausch angewiesen war. NIBEK hingegen, so wieder MTI, wird "vollen Zugang zu allen Informationen" bekommen. Die Berichte der NIBEK sollen dann der ungarischen Regierung zur "Einschätzung der Sicherheitslage" dienen und die "verfügbaren Daten bereitstellen und analytisch aufarbeiten". Dabei müssen die technischen Voraussetzungen für den Zugang der NIBEK von den Betreibern der Datenbanken selbst geschaffen und die Kosten selbst getragen werden, weil dafür keine Budgetmittel veranschlagt worden sind, mutmaßt die - ebenfalls der Opposition zuzurechnende - Zeitung Népszabadság.

Die offizielle Begründung für die Schaffung dieser neuen Struktur ist, die "Effizienz der Kriminalitätsbekämpfung zu erhöhen und Überlappungen zwischen den Ämtern zu unterbinden." Es fehlte auch nicht der Hinweis, dass es "vergleichbare internationale Beispiele" für eine solche "Koordinierungsstruktur" gibt. Noch ist jedoch weder bekannt, welche Kompetenzen und konkreten Aufgaben NIBEK bekommen wird, noch, wer die neue Struktur kontrolliert. Schon gar nicht geklärt ist, auf welcher rechtlichen Grundlage die allgemeine Datenerhebung und der massive Zugang geschehen soll und wie die Daten, auch unbescholtener Bürger, verwertet werden.

Es meldeten sich erste kritische Stimmen, deren Bedenken in Richtung "Big Brother" oder "Fidesz-Stasi" reichen. Immerhin existieren mit dem Amt für Nationale Sicherheit (Nachfolger der Kádár-Stasi), dem von dieser Regierung stark aufgewerteten Antiterrorismus-Zentrum, der Kriminalpolizei und dem militärischen Abschirmdienst bereits die üblichen Einrichtungen, weshalb zur Gründung der neuen Organisation doch einiger Erklärungsbedarf bestehen bleibt, vor allem im Hinblick auf den möglichen Missbrauch für politische Zwecke.

red.

 

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