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(c) Pester Lloyd / 12 - 2012     WIRTSCHAFT   22.03.2012

 

Zahlengaukler

Regierung in Ungarn lügt dem Volk die Taschen voll

Stolz verkündet das Wirtschaftsministerium durchweg positive Entwicklungen auf dem ungarischen Arbeitsmarkt und bei den Gehältern und reiht dabei sorglos Zahlen aneinander, ohne sie in einen erklärenden Kontext zu stellen. In Wirklichkeit sinken die Reallöhne weiter und geht die Zahl der Beschäftigten zurück, - wegen einer falschen, ideologisch verbohrten Wirtschaftspolitik.

So wird, ganz im Stile der DDR-Plankommission, freudig der durchschnittliche Einkommensansteig in der ungarischen Wirtschaft bejubelt. 4,3 Prozent seien die Löhne im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen, lautet die Schlagzeile auf der offiziellen Webseite der ungarischen Regierung. Im privaten Sektor um 5,2 Prozent und im Öffentlichen Dienst bescheidenerweise nur um 1,4 Prozent, was zeigen soll wie die Wirtschaft boomt und wie sorgsam man gleichzeitig mit Steuergeldern umzugehen versteht.

Statistische (!) Entwicklung der Brutto- und Nettolöhne seit 2010. Die großen Ausschläge netto Anfang 2010 sind Wahlkampfzuckerln der MSZP, die freilich nichts mehr nutzten, der Negativbalken im Dezember 2010 hängt mit der Einführung der Flat tax per 1.1.2011 zusammen, die Arbeitgeber verbuchten fast alle Prämien und Zuschläge in den Januar, um Steuern zu sparen. Ebenso das gewaltige Nettoplus am Jahresende 2011, es ist hier nochmal näher erläutert und relativiert.

Es ist erstaunlich, dass es immer noch Funktionsträger zu geben scheint, die glauben, man kommt im Jahre 2012 mit solchen Charaden durch. Ein Blick hinter das aufgefahrene Blendwerk des Wirtschaftsministeriums enthüllt nämlich genau eine gegenteilige Entwicklung. Richtig ist, dass die Bruttolöhne im privaten Sektor um 5,2 Prozent gestiegen sind und nun bei 225.000 HUF (rund 879 EUR) liegen, vornehmlich aufgrund des gesetzlich um rund 18% angehobenen Mindestlohns, im Zuge dessen private Unternehmen bei Geringverdienern, mit einem Einkommen unter 216.000 HUF (745 EUR), eine Lohnerhöhung von 5 Prozent vornehmen sollten, um die durch die Flat tax verursachten Einbußen zu kompensieren. Die Hälfte aller öffentlich Bediensteten musste der Staat etnschädigen. Die haben dann nominal genauso viel wie vorher. Ein Nullsummenspiel also, ohne Profit für den Arbeitenden.

Wieder mal Europameister, diesmal bei der Teuerung. Grafiken: KSH + MTI

Zieht man zusätzlich zur „Flat tax“ nun noch in Betracht, dass sich die Inflation derzeit bei fast 6% befindet, seit Anfang des Jahres die Arbeitnehmer-Steuerabschreibungen (außer bei Familien mit 2+ Kindern) abgeschafft und die Sozialabgaben um einen Prozentpunkt angehoben wurden, verkehrt sich das Nullsummenspiel geradewegs zum Nachteil für Arbeitnehmer. Von der zynisch verkündeten Bruttolohnsteigerung in der Gesamtwirtschaft von 4,3 Prozent bleibt letztendlich ein Reallohnverfall von 3,9 Prozent übrig.

Mehr zum Thema: Armut nach Plan: Preise und Verarmung in Ungarn steigen schneller

Zusätzlich liefen eine ganze Reihe von gesetzlichen Arbeitsprogrammen aus, die primär im Niedriglohnsektor angesiedelt waren und dadurch den statistischen Durchschnittslohn hoben, ein Effekt, der verdeutlicht, dass auch der Bruttolohnanstieg nur eine Zahl ist. Die Zigtausenden, die ab diesem Jahr in den “Genuss” kommunaler Beschäftigungsprogramme kommen, werden die Statistik künftig auch nicht mehr verderben, denn sie erhalten keinen Lohn, sondern nur eine Zuzahlung auf ihre Sozialihilfe, sie sind also keine Beschäftigten im Sinne der Statistik. Deren maximales Einkommen beträgt dann 47.000 Forint, 160 EUR, von denen man, laut Auskunft von Nationalwirtschaftsminister Matolcsy in Ungarn “heute sehr gut leben kann”, wobei er mit heute vielleicht “einen Tag” meinte. Wie auch immer, dafür müssen die Betroffenen 40 Stunden in der Woche machen, was ihnen gesagt wird. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Mehr zum Thema: Aus Plus wird Minus: Die Einkommensschere wächst dramatisch und ist gewollt

Die negativen Entwicklungen der Arbeitslosenzahlen werden hingegen am liebsten gänzlich ausgespart. Hier pickt sich das Ministerium immer nur Einzelsegmente heraus, wo man einmal von Monat zu Monat irgendeine Steigerung, wie ein blindes Huhn ein Korn findet. Ein genauer Blick in die neuste Veröffentlichung des Statistischen Zentralamts (KSH) enthüllt, dass Firmen mit mindesten fünf Angestellten im letzten Jahr netto rund 30.000 Entlassungen vornahmen, was einer Reduzierung von versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen um 1,6 Prozent in diesem Sektor gleichkommt.

 

Saisonale Schwankungen können nicht als Erklärungsmuster für den Arbeitsplatzabbau herhalten, dafür sind die Entwicklungen in den Wintermonaten nicht signifikant genug. Wahrscheinlicher ist vielmehr das Szenario, das Firmen die staatlich verordnete Lohnkompensation durch Entlassung zu finanzieren versuchen. Zusätzlich ist die Quote von Angestellten in Teilzeitarbeitsverhältnissen im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent angestiegen, lässt man diese Entwicklung außer Betracht, würde sich sogar ein Arbeitsplatzabbau im privaten Sektor von 2 Prozent ergeben. Demgegenüber steht das “heilige” Versprechen von 1 Mio. neuen Arbeitsplätzen binnen zehn Jahren.

Freilich schiebt die Regierung konsequent jede Malaise auf "die Krise der Eurozone", auch wenn die das einzige ist, was Ungarns derzeit überhaupt noch ticken lässt. Dann wäre noch das "schlechte globale Umfeld", im Zweifel auf das "schwere Erbe der Vorgänger". Doch längst wissen Unternehmer, Experten und auch die Politiker, dass weit mehr als die Hälfte dieser Entwicklungen auf eine fehlerhafte, weil ideologisch verbohrte Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist, wie wir an verschiedener Stelle bereits ausführlicher ausführten (Flat tax, Mittelstand, Unternehmen, Steuern.) Da helfen auch die peppigsten Parolen nichts mehr.

Antje Lehmann, red.
 

 

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