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(c) Pester Lloyd / 43 - 2014 POLITIK 21.10.2014

 

"Klare Warnung": Fortgang der Affäre um US-Einreiseverbote gegen ungarische Offizielle

Am Montag schälte sich die Regierungsstrategie im Fall der US-Einreiseverbote gegen sechs Offizielle aus dem Umfeld der Orbán-Regierung heraus: Man stellt sich weitgehend dumm und erklärt, dass man "keinerlei Hinweise" darauf habe, worum es eigentlich geht. Der US-Vertreter in Budapest betonte immerhin, dass es sich um eine klare politische Botschaft handelt, verweigert aber weitere Details, was in Europa rechtsstaatlich inakzeptabel ist. Beide Seiten sehen nun ihre "Freundschaft" auf dem Spiel stehen... - Hackerangriff auf Pester Lloyd.

"Kein einziges Regierungsmitglied erhielt irgendeine Information, wer und warum mit einem Einreiseverbot belegt wurde." erklärte Kanzleramtsminister János Lázár am Montag nach einem kurzfristig einberufenen Meeting des Parlamentskomitees für Nationale Sicherheit. Er hält es für absurd, etwas “Politisches” hineinlesen zu wollen.

 

Erleichtert wird die Taktik der Regierung durch den Umstand, dass die USA weder öffentliche Angaben zu den betroffenen Personen, noch zu den Gründen machen, die zu der per Präsidialdekret (basierend auf einer Proklamation von George W. Bush aus dem Jahr 2004, zu der jedoch kein Gerichtsbeschluss o.ä. vorliegen muss) führten. Die Betroffenen hingegen werden wiederum ihre Gründe haben, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der US-Geschäftsträger in Budapest, André Goodfriend, sagte, dass man die Personen direkt kontaktiert habe. Mehr Öffentlichkeit ist bei diesem Prozedere nicht vorgesehen. Allerdings zitierte heute die Agentur Reuters einen "US-Diplomaten" mit den Worten, dass das Einreiseverbot: "eine klare Warnung" sei, "eine Politik, die demokratische Werte aushöhlt, einzustellen." Goodfriend sagte am Montag vor Medien weiter: "Ab einem bestimmten Punkt und wenn es so weitergeht, kann es unmöglich werden weiter als Verbündete zusammenzuarbeiten."

Goodfriend erläuterte in einem Streitgespräch mit Fidesz-Fraktionschef Rogán, der das alles "für einen Witz" hält, die US-Botschaft habe sich überhaupt nur genötigt gesehen, den Vorgang öffentlich zu machen, weil eine Zeitung behauptete, gegen US-Firmen liefen Steuerbetrugsverfahren seitens des Finanzamtes NAV und die Einreiseverbote seien die Reaktion darauf. Die genannte Zeitung war übrigens die Napi Gazdaság, die erst kürzlich von einem fidesznahen Geschäftsmann der orbánnahen Századvég-Stiftung gekauft wurde, ausgerechnet jener Stiftung, deren Präsident ebenfalls auf der Sanktionsliste stehen soll.

Nicht nur die Regierung, sondern sowohl ungarische Oppositionspolitiker als auch Europaabgeordnete, z.B. der Liberalen, wundern sich über das intransparente Vorgehen der USA, das gegenüber einem befreundeten Land in höchstem Maße unüblich sei und in Europa auch rechststaatlich nicht akzeptiert ist. Orbáns rechte Hand, Minister Lázár drohte gar damit, dass der Vorgang die "ungarisch-amerikanische Freundschaft vergiften oder zerstören" könne. Justizminister Trocsányi unterstellte, dass die Sache nur "unter Mutmaßungen" laufe und man daher "unter ungarischem Recht keinen Fall" daraus machen könne. Sein Staatssekretär, László Tasnádi kommentierte, dass es bei der polizeilichen oder juristischen Kooperation zwischen beiden Ländern derzeit keine offenen Fragen gebe.

 

Die linke Opposition schließt sich der Regierungsforderung nach Transparenz der US-Entscheidung an, weist aber daraufhin, dass es nicht das erste Mal ist, dass das Finanzamt im Zusammenhang mit Korruption und Amtsmissbrauch auffalle und verwies auf den juristisch kaltgestellten Fall der Aufdeckungen von Ex-NAV-Inspektor Horváth. Darunter kristallisierte sich die Beschwerde einer ungarischen Speiseölfirma in US-Besitz heraus, die sich über systematischen Mehrwertsteuerbetrug seitens der Mitbewerber bei den Rohstoffen beklagte, im jährlich zweistelligen Millionen-Euro-Wert. Diese Dinge müssen öffentlich gemacht werden, andernfalls stelle die NAV-Führung ein "Risiko für die nationale Sicherheit" dar, so die linke Oppositions. Dem Justizminister widersprach man, die Staatsanwaltschaft könne nicht nur, sie müsse nun sogar aktiv werden, da ungarische Staatsbürger involviert sind.

Am heutigen Dienstag reist Außenminister Szijjártó nach Washington und hofft dort auf Klärung - sagt er zumindest. Ministerpräsident Orbán hat sich öffentlich noch nicht zu den Vorgängen geäußert, sein Hausblatt "Magyar Nemzet" will wissen, dass er '"wütend" sei.

Oppositionsmedien teilten uns am Montag mit, dass alle Medien, die es wagten, Namen ins Spiel zu bringen, umgehend verklagt wurden bzw. mit Klagedrohungen der Anwälte der kolportierten Personen konfrontiert wurden - ausgenommen die "Napi Gazdaság", jene Zeitung, die mit der Geschichte herauskam und dessen Eigentümer mit jenem regierungsnahen Institut verbandelt ist, dessen Direktor ebenfalls auf der Liste stehen soll.

Die regierungstreue Magyar Hírlap verlinkte am Montagabend unsere Recherche, die auch den Namen eines Ministers umfasste, der in anderen Medien nicht auftauchte. Kurz darauf wurde unsere Webseite für ca. 8 Stunden durch einen Hackerangriff lahmgelegt.  Wir danken für die Aufmerksamkeit...

red.

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