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(c) Pester Lloyd / 49 - 2014   WIRTSCHAFT   05.12.2014

 

Schuhcreme und Ambrosia: Landwirtschaftsministerium in Ungarn veruntreut über 1 Milliarden Forint Spenden

Der Fall mutet - im Verhältnis zu den Vorwürfen an das Finanzamt zum systematischen Steuerbetrug im Milliardenmaßstab oder zu den Selbstbereicherungsorgien der Fidesz-Nomenklatura - fast niedlich an, ist aber ein eindrückliches Beispiel von der Respektlosigkeit der Herrschenden gegenüber ihrem "Souverän".

Laut Gesetz können Steuerpflichtige 1% ihrer Einkommens- bzw. Körperschaftssteuern gemeinnützigen Zwecken widmen. Dazu gehören Kirchen zwar ebenso wie regierungsnahe Initiativen, Jubelvereine, die ohnehin schon durch Steuermittel priviligiert sind, aber durchaus auch Vereine und Initiativen, die sinnvollen Tätigkeiten nachgehen, wie Umweltgruppen, Nothilfe für kranke Kinder oder andere Hilfsbedürftige, die sich nicht (mehr) selbst helfen können.

Seht: sie beißt nicht, ich kann sie sogar fotografieren... Landwirtschaftsminister Sándor Fazekas, Verkörperung der Losung Ungarnland in Bauernhand, bei einer Antie-Ambrosien-PR-Aktion, mit geputzten Schuhen!

Eine Gesetzeslücke erlaubt es, dass auch steuerfinanzierte Behörden an diesen Sammelaktionen teilnehmen dürfen, wenn es sich um eine konkrete, zweckgebundene Aktion handelt, die sonst nicht finanzierbar wäre. Das Mähen öffentlicher Grünflächen, die mit der Gemeinen Beifußblättrigen Ambrosie, ung.: Parlagfű, zugewuchert sind, sei so ein Grund, befand das Ministerium für Ländliche Entwicklung und Landwirtschaft. Denn die Pollen dieser Wucherpflanze können massive allergische Reaktionen, hohe Fieberschübe auslösen und für besonders Anfällige und akut Kranke auch lebensbedrohlich werden, stellen also ein allgemeines Gesundheitsrisiko dar. Private Grundstückseigner sind per Gesetz (Parlagfű Bejelentő Rendszer) und unter Bußgeldandrohung dazu verdonnert, ihre Flächen von dem Unkraut zu befreien.

Jetzt könnte man darüber streiten, ob bei einer derartigen Gesundheitsgefährdung nicht der Staat ohnehin verpflichtet ist, sich um die öffentlichen Flächen zu kümmern, weil die Gewährleistung der Gesundheit seiner Bürger nun einmal eine seiner Grundaufgaben ist, wofür er ja sozusagen auch mit Zwangs-"Spenden" also Steuern ausgestattet wird. Aber offenbar ging dem Ministerium das ganze Geld für die Einzäunung der neuen Ländereien für die Fidesz-Funktionäre flöten oder wurde Opfer der Russland-Sanktionen.

Das Ministerium legte also einen "Anti-Ambrosien"-Fonds auf und siehe da, 1,1 Milliarden Forint, immerhin 3,6 Mio. EUR ließen die einsichtigen Bürger springen, denn vielen ist die Ambrosie buchstäblich ein Dorn im Auge. Wie nun zwei Abgeordnete der Grünen (LMP) herausfinden mussten, wurde jedoch nur der kleinste Teil der Summe für die Mäharbeiten verwendet. Das erfuhr man aber erst, nachdem einige NGO´s vor die Gerichte zogen, um das Ministerium zwingen zu lassen, die Geldverwendung offenzulegen.

Dieses hatte reichlich Grund für die Weigerung, denn es stellte sich heraus, dass Minister Fazekas davon Computer und Serverinfrastruktur kaufen ließ, Abfindungen für Kündigungen bezahlte sowie Schuhputzmaschinen und Ledertaschen anschaffte. Für LMP ist das ein klassischer Fall von Amtsmissbrauch, Hinterziehung (Untreue), das "Ministerium hat fast das ganze Geld der Spender gestohlen" fasst die Partei in der Aussendung nochmals zusammen, so deutlich, dass selbst dem Fidesz-Generalstaatsanwalt, für den oft nicht so klar ist, was hier bei wem was und wieviel ist, auffallen sollte.

 

Vielleicht war ohnehin alles nur ein Missverständnis und es ging gar nicht um die Pflanze Ambrosie, auch Ambrosia artemisiifolia, sondern Ambrosia, die Speise der Götter, die bekanntlich in Strömen fließen muss. Und was ist schon die kleine Last von 3,6 Mio. EUR gegen die Blamage ungeputzter Schuhe von Mitarbeitern eines ungarischen Ministeriums bei weltweiten Agrar-Messen?!

Dem amtlich ungewollten Unkraut könnte kostenneutral in Zukunft der amtlich geförderte Abschaum zu Leibe Rücken. Per Gesetz befinden sich stets mindestens 200.000 Menschen in den Kommunalen Beschäftigungsprogrammen, die sind sowieso schon bezahlt und stehen meist nur wie bestellt und nicht abgeholt herum. Sollen die doch das Unkraut jähten. Oder hat man schon Angst unterbezahlte, frustrierte Menschen mit scharfen Gegenständen auszustatten?

red. / a.l.

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