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(c) Pester Lloyd / 19 - 2015   WIRTSCHAFT    05.05.2015

 

Über die Seidenstraße in die Zukunft? Ungarn dient sich wieder als Europas "Little China" an

China kann aufatmen. Auf einer Konferenz des ungarischen Außenministeriums attestierte ein Staatssekretär den Gästen vom Sekretariat China-Central and Eastern EuropeanCountries (CEEC) jetzt, dass die "One Belt, One Road"-Initiative der Volksrepublik "auf Linie mit der ungarischen Ostöffnungsstrategie ist" und daher die Unterstützung der Regierung hat... Was Ungarn von China erhofft und welchen Preis es dafür zahlt...

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Mit der "One Belt, One Road"-Strategie, kurz OBOR, will China eine Reaktivierung der "Seidenstraße" starten, wobei es jedoch nicht nur um die Logistik durchgängiger Handelsrouten (zu Lande und zu Waser) geht, sondern auch um einen "Gürtel" von Staaten, mit denen China besondere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen eingeht, also dort auch gezielt investiert und im Gegenzug freien Zugang zu den Märkten verlangt. Die Strategie wird als Chinas weise Antwort auf die erneute Blockbildung zwischen der EU und "Eurasien" gewertet, wobei das Reich der Mitte hier als verbindende Kraft zum eigenen Vorteil auftreten wird, das Kraft seiner ökonomischen Wassersuppe entsprechenden Einfluss auf die Handels- und Wirtschaftspolitiken der Partnerländer nehmen kann.

 

Ungarn, das, aus ökonomischen Überlegungen wie aus ideologischen Paradigmen heraus, händeringend nach "strategischen Partnern" im Osten, zumindest aber außerhalb des euroatlantischen Raumes sucht, dient sich der Idee entsprechend an. Außenstaatssekretär László Szabó erklärte: "China und die Länder Asiens sind die Zukunft." Sein Gast aus Peking freute sich, dass 16 Länder Mittelosteuropas Teil der Strategie seien.

(Geschürte) Ängste, die in der Orbán-Polemik gegen die EU eine Rolle spielen, z.B. über einen "Ausverkauf" der ungarischen Erde an die rohstoff- und bodenhungrigen Chinesen oder mögliche finanzielle Abhängigkeiten (wie beim AKW-Projekt-Kredit gegenüber Russland), die gibt es gen Osten eigenartiger Weise nicht.

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Richtung Westen warnt man jedoch von den “Spekulanten der Finanzmärkte”, den “unersättlichen Multis, die Extraprofite aus dem Land tragen und damit ungarische Familien angreifen”, was Sondersteuern, Protektionismus, ja sogar planwirtschaftliche Elemente notwendig und Enteignungen denkbar macht. Gen Osten ist man da generöser: Das ungarische Arbeitsrecht ist bereits seit 2011 den chinesischen Erwartungen angepasst worden, darüber hinausgehende Wünsche können per Dekret beliebig zur "nationalen Priorität" erhoben und damit fast jeder Kontrolle entzogen werden.

Orbán kündigte an, der neu gegründeten "Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank", einem von China dominierten Gegengewicht zu EBRD, EIB, IWF bzw. Weltbank, beitreten zu wollen. Die später im Jahr startende Erneuerung und Beschleunigung der
Bahnlinie Budapest-Belgrad unter technischer und finanzieller Supervision Chinas sieht man als Auftakt für einen kommenden Investitionstsunami, auch wenn das ein japanisches Wort ist. Am liebsten würde Orbán auch in das Putin-Projekt Eurasische Union eintreten, aber die boten ihm bisher noch nicht so bedingungslos, stabil und so viele Milliarden wie die EU. Dafür bietet er sich wahlweise Moskau, Peking, Riad und sogar Teheran als “Hub” in die EU an.

In Summe erfüllten sich die von der Regierung geschürten Hoffnungen in die Ostöffnung bisher nicht, denn die umworbenen Länder halten sich wohlweislich mit direkten Investitionen sehr zurück, auch die angestrebten Steigerungen der Handelsvolumina werden verfehlt, Staatsanleihen werden nur testweise gekauft.

 

Beliebt ist in Asien hingegen die Möglichkeit, beim Kauf von 5jährigen ungarischen Staatsanleihen über 300.000 EUR plus einer Gebühr von rund 40.000 EUR an einen aus Ungarn lizensierten Off-Shore-Vermittler ein Schengen-Dauervisum zu erhalten, allein im April haben davon 78 Personen Gebrauch gemacht.

Die Orbán-Propaganda schürt im Lande Ängste vor einer "kommenden neuen Weltordnung", in der praktisch kein Stein mehr auf dem anderen bleibt und in der nur "die stärksten Nationen überleben" werden. Mit dieser Drohkulisse, werden u.a. Demokratieabbau (
“Das neue Ungarn wird keine liberale Demokratie mehr sein...”), eine sozial selektive, ständestaatliche Wirtschaftspolitik, die Abschaffung von Arbeitnehmerrechten und die Repressionen einer "Arbeitsgesellschaft" gerechtfertigt, aber auch die Notwendigkeit von Investitionen in Kernkraft (angeblich billige Energie) und die Kooperationen mit zweifelhaften Regimen bis hin zu astreinen Dikaturen erklärt.

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red. / cs.sz.

 

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