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(c) Pester Lloyd / 40 - 2015   POLITIK    02.10.2015


Ungarn im Abwehrkampf: Orbán und Lázár zu Flüchtlingspolitik und Wirtschaftslage

Während Premier Orbán den kroatischen Amtskollegen als Sozi-Agenten beschimpft, weiter mit Martialik und Diffamierung Ängste vor Flüchtlingen schürt und sein neues “Propagandaministerium” zu erklären sucht, schiebt sein Kanzler Panik in der Wirtschaftspolitik. Über einhundert neue Gesetze und neuer Stress mit den Banken sollen das Wachstum bewahren. Nebenbei werden Fördermittel für energetische Sanierung in Milliardenhöhe gestrichen.

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Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic "greift Ungarn als Agent der Sozialistischen Internnationale an." Mit diesen Worten aus dem Vokabular des Kalten Krieges setzte Orbán die seit Wochen andauernde Verbalkanonade gegen den EU-Nachbarn heute in seiner Radiopredigt "180 Minuten" fort. Milanovics "Auftrag sei es, Ungarn anzugreifen", aber "Die Sachen, die er sagt, haben nichts mit der Meinung des kroatischen Volkes zu tun. Kroatien und Ungarn
werfen sich gegenseitig Versagen, rechtliche Verstöße bzw. Bösartigkeit beim Herumschieben der Flüchtlinge vor.
 
Überhaupt sei es der "linke Liberalismus", der "Einwanderung als etwas Positives sieht" und dies als Mainstream betrachtet. Die so gepolten Politiker in Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland ermutigten daher Länder wie Kroatien gegen die Vernunft, (lies: gegen Ungarn) zu Felde zu ziehen. In Österreich liege ein Sonderfall vor, denn das Land sei im Wahlkampf (Wienwahl am 11.10.), dann hoffe er, mit den Nachbarn "einen Weg der Kooperation zu finden". Es könne nicht sein, dass Ungarn "während wir die Grenzen schützen, in friendly fire" gerate.
 
Orbáns Äußerungen zielten wiederum sehr plump darauf ab, möglichst große Angstszenarien zu skizzieren und seine Vorschläge für eine "globale Lösung" sowie sein Grenzregime als einzig gangbare darzustellen. Quintessenz: Wenn Europa nicht Ungarns Zäune akzeptiert und selbst welche baut, wird es unter der Last der "Einwanderer" zusammenbrechen. Die Flüchtlinge selbst portraitierte er dabei wiederum als eine Mischung aus Schmarotzern, Kriminellen und einer potentiellen Terrorarmee.
 
Wenn "andere europäische Länder glauben, sie könnten ihre demographischen Probleme mit jungen Kriegern" lösen, seien sie "frei das zu tun", man lasse sich diese Politik "in Ungarn aber nicht aufzwingen." Die ungarische Linke begehe den gleichen "fatalen Fehler", "Einwanderer als Chance zu betrachten".

Zur Schaffung des
neuen "Propagandaministeriums" (offiziell: Politische Kommunikation) für den kommenden Minister und Noch-Fidesz-Fraktionschef Rogán sagte Orbán, dass er das ohnehin lange geplant hatte. Doch zunächst sei ihm die Einheit der Fraktion wichtiger gewesen, nun sei es aber an der Zeit "einen neuen Fraktionschef zu ernennen" und Rogán als seinen Assistenten zu bestellen. Von Konkurrenzkämpfen zwischen Rogán und seinem Amtschef Lázár sprach er natürlich nicht.
 
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Lázár seinerseits kündigte in der Regierungspressekonferenz am Donnerstag regelrechte Notmaßnahmen an, um das
schrumpfende Wachstum im kommenden Jahr wenigstens über 2% des BIP zu halten. Dazu sollen in den kommenden Tagen 107 neue Gesetze bzw. Gesetzesänderungen beschlossen werden, die u.a. das Wettbewerbsrecht, öffentliche Ausschreibungen und den "Abbau von Bürokratie" betreffen. Auch Entlassungen im (von Fidesz zu Rekordhöhen aufgeblähten) öffentlichen Sektor sollen dazu gehören. Es darf davon ausgegangen werden, dass das Gros der Gesetze dem leichteren Zugriff von Günstlingen auf EU-Gelder und einer verringerten Transparenz dienen werden.

Lázár erklärte, dass 200.000 Arbeitsplätze direkt von EU-Geldern abhingen, diese aber nicht mehr so üppig fließen wie im letzten Jahr, als sich zwei Finanzierungsperioden überschnitten. Und dies trotz der
gerade erfolgten Freigabe zuvor wegen Betrügereien gesperrter Strukturfonds.

Sauer ist Lázár auf die Banken, die ihrem Auftrag, Kredite zu gewähren, nicht nachkämen, daher solle der Pakt (Kredite gegen Nachlässe bei den Sondersteuern) überprüft werden. An diesem Pakt hängen jedoch auch Kreditlinien der EBRD. Lázár kündigte außerdem an, dass die MKB und weitere verstaatlichte Institute bald reprivatisiert werden sollen, damit sie das Kreditgeschäft beleben können. Diese Privatisierungen sollen "in die Hände vertrauenswürdiger ungarischer Geschäftsleute" (Orbán) geschehen.

 

Die Nr. 2 im Staate kündigte auch an, dass die Struktur der EU-Mittelvergabe verändert werden solle, u.a. will er die Förderung privater, energetischer Sanierung streichen und die Mittel in andere Projekte umleiten. Die zuständige Behörde (MEHI) zeigte sich in einer Stellungnahme schockiert über diese Idee. Es seien derzeit Projekte im Wert von rund 1,5 Mrd. EUR auf den Weg gebracht, die gefährdet seien. Das betrifft private ebenso wie öffentliche energetische Gebäudesanierung. Wenn die Regierung die privaten Förderungen streiche, werde man das verbindlich mit der EU vereinbarte Energieziel verfehlen und zeitgleich tausende Jobs gefährden. Es sei zudem fraglich, ob die EU bei dieser Aktion überhaupt mitmache und die Gelder dann nicht lieber einbehält. Hinzu komme, dass ungarische Haushalte im Schnitt 25% ihres Einkommens für Energierechnungen und Wohnnebenkosten aufwenden müssten, obwohl ihre Strom- und Gaspreise mit zu den niedrigsten in der EU zählen, was ein klarer Hinweis darauf sei, dass die Energieefiizienz katastrophal ist.

Mehr zu
Orbáns Wirtschaftswunder hier.

 

 

 

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